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Karyatiden (Gips) eigener Art. Es sind moderne Kanephoren, aus seinem dalmatinischen
Gebirgsdorfe, den strammen Frauen nachgebildet, die so ihre Kopflasten durch das
Gebirge tragen. Auch ihr Kostüm benutzt er ohne weiteres, wie einst die Athener das
der Mädchen von Karyä. Und die Gesichter sind leidenschaftlich bewegt, in Trauer und
Schmerz, eben auch um die gefallenen Helden, denen sie Tempeldienst leisten. Ein starker
Quell von Naivität befruchtet hier die antike Überlieferung und bringt sie wieder in Bezie-
hung mit dem Leben. Unter den Köpfen befinden sich vortreffliche: ein bärtiger Blinder
könnte aus einer gotischen Kathedrale stammen und ebenso das Bildnis seiner Mutter,
mit dem national in drei Ecken gefalteten Kopftuch, wie es die Landfrauen dort tragen.
Rückseite einer emaillierzen Schale, Mesopotamien, XII. Jahrhundert
Und ein Humor wie von ausgehendem Mittelalter lebt in gewissen hanebüchenen Sand-
steinreliefs. Er ist eben ein Künstler von heute, dem nichts Früheres fremd geblieben, dabei
aber keine Spur von Eklektiker. Die Ausstellung Mestrovic ist eine erfreuliche Episode
unseres Kunstlebens. Es wäre höchlich zu wünschen, daß ihm entsprechende Aufträge
würden. Vor zwei Jahren hat ihm ein „Brunnen des Lebens" in schwarzem Granit, für
Herrn Karl Wittgenstein, die Mittel für den Pariser Aufenthalt gegeben. ä Die malerische
Garnierung, die mehrere Zimmer füllt, ist aus dem Ausland bezogen. In den Bildern von
Wladislav Slevinski (Warschau) sieht man Einflüsse aus dem letzten Paris; Gauguin,
Cezanne. Die Urkraft fehlt, Rudolf Schramm-Zittau, der Spezialist der sonnenbeschienenen
Gänse und Enten, füllt einen großen Saal, doch wirken seine neuesten Bilder, Münchener
Stadtansichten in der Art Pissarros, weit frischer. Auch Hans von Hayek (Dachau), aus
der Schule Ziigels, ist jetzt weitaus selbständiger und eigenfarbiger. Nicht ohne Original-
reiz auch seine Zeichnungen und Lithographien.