gespannt, als Abschluß eine spärliche Maßwerkleiste darauf gehängt und die Möbel, die
aus dem Getäfel entwickelt werden miißten, einfach gegen die Wand, die Randleiste über-
schneidend, gestellt werden. Das ist doch eigentlich mehr Tapezierergotik.
In der zweiten Etage spielt dann das Theater der Lebenden. Es ist wohl ebenso-
wenig leicht, heute neue Interieurs zu erfinden, als sich überhaupt noch leidenschaftlich
dafür zu interessieren. Wir sind wohl alle etwas abgeüaut und müde geworden.
Am besten sind noch die neutralen Räume, denen sich nicht viel nachsagen läßt, die
bequeme Sitzmöbel und gemütliche Raumeinteilung haben, wie Billings Bibliothek,
Grenanders Musikzimmer in der Art der letzten Bruno Paul-Sprachefwohlhabende Bürger-
möbel in der Tiergartenstraße der sechziger Jahre.
Persönlichkeitsnuancen sind oft wenig bestechend, so wenn Albin Müller über einem
Sofa eine Ebenholzwand aufrichtet mit tiefen, gähnenden Rilleneinbuchtungen - vertikalen
Regentraufen -, die verwirrende Spiegelung in den Raum bringen. Schmuckhaft und
sachlich ist die Schlaf- und Toilettesuite von Leo Nachtlicht.
Und ein Raum hat wirklich entschiedenen Persönlichkeitsakzent, der Repräsentations-
saal von Peter Behrens. Schwarze Ebenholzsofas und -sessel mit schwellend gelben Kissen,
Wandpanneaux mit gestickten Kränzen _ natürlich dürfte man davor keinen Schrank
stellen -, in ihrer Mitte Leuchter, ein weißer Kamin. Die Stimmung dieses Raumes voll
temperierter Vornehmheit könnte man Schinkelisch nennen. Eine gegenwärtige Note bringt
der elektrische Lichterhimmel hinein, mit Girandolen, Girlanden und den an Leitungs-
drähten aufgereihten Leuchtkugeln.
Gar beschaulich und kulturvergniiglich spaziert es sich in der Porträtgalerie des alten
Meisters Anton Graff, des „kursächsischen l-Iofmalers", die der Salon Schulte mit größtem
Regiegeschick zusammengebracht. Dieser Zinngießerssohn aus Winterthur, hervor-
gegangen aus bescheiden einfachen Verhältnissen, die ihm den natürlichen, unbestochenen
Blick für die Realitäten des Lebens weckten, hat, an den Dresdner Hof berufen, von 1766
bis 1813 eine Fülle zeitgenössischer Bildnisse geschaffen, die, von aller Pose und emble-
matischer Schilderei fern, Menschen der Epoche in wesentlicher, charakteristischer Physio-
gnomie geben. Eine Ständerevue vielseitigster Art stellt sich dar. Repräsentativ, groß in
Haltung und Allüre, werden die Männer der Armee von Fürstlichem Geblüt festgehalten.
Und dabei sind diese junker und Offiziere M oft sehen sie stolz und unzufrieden aus -, der
befehlshaberische Chevalier de Saxe, der Fürst Reuß Heinrich XIII. in österreichischer
Uniform, nie leere, prunkende Schaustücke, sondern sie geben in Erscheinung und Aus-
druck frappant den Typus und das individuelle, sprechende Merkmal dazu. Und vor allem:
sie sind gemalt, sie sind als farbige Erscheinung aufgefaßt und aufgebaut. Fast in noch
höherem Grade gilt das von den Porträten vornehmer Frauen. Und da leuchtet das statt-
liche Bildnis der Herzogin Philippine Charlotte von Braunschweig-Wolfenbüttel. In rotem
Kleide mit rauchdunklem Pelzwerk sitzt sie im Lehnstuhl, das distinguierte alte Damen-
gesicht mit den feinen Fältchen lebendig dem Beschauer zugewandt.
Die führenden Geister seiner Zeit hat Graff verewigt und wie er innerliches Wesen
sichtlich zu machen wußte, zeigt das geistig erhellte Abbild des Prinzen Heinrich, des
Schloßherrn von Rheinsberg mit dem Fritzen-Auge. Dieser Teil des Graifschen Werkes
ist wie ein Bilderatlas zur Literaturgeschichte des XVIII. Jahrhunderts, vor allem für
die Lessing-Periode. Da erscheinen sie alle, leibhaftig, ohne Pose, aus der alltäglichen
Existenz herausgegriffen: Johann Jakob Bodmer, als zahnloses Wackelgreischen; der milde
Gellert; der kraügenialische Apostel des Sturm und Drangs Christian Kaufmann; Engel,
der klügliche Philosoph für die Welt; Moses Mendelssohn patriarchalisch; Rabener, der
Satiriker mit dem scharfäugenden Blicke; Ramler, der Sänger der Römeroden in der Mark.