durch urann Charlotte Elisa von der Recke, die nach unglücklicher Ehe sich zur schönen
Seele und Geistesfreundin gefühlvoller und keuscher junger Poeten ausbildete. Die „hohe
Elisa" nannte man sie und ihr dichterischer Page war zuletzt Tiedge, der seraphische
Dichter der Urania. Er sagte von seiner ersten Begegnung mit ihr errötend: sie habe ein
Gewand getragen, das er deutsch nicht nennen könne, jenseits des Rheines heiße man es
Chernise. In diesem ä la mode-Kleid ist die hohe Elisa hier dargestellt, weiß, spitzenbesetzt,
unter der Brust hoch mit blauem Band gegürtet.
Auf einer dritten Bühne gibt es dann allerlei Kleinbürgerlichkeiten, Gevatter
Schneider und Handschuhmacher, Kotzebue- und lffland-Typen, „Herr Eule" und „Frau
Apel" ehr- und lobesame Kramermeister, die im schweifigen Rahmen heute noch als
Wahrzeichen alter ehrenfester Zeiten in der Leipziger Handelskammer hängen. An die
Goethischen Verse denkt man dabei:
Seht hier mit Kopf und Ohren
Den würd'gen Herren, Wohlgeboren.
Dann gibt es auch pfiffige Gesichter mit listigen Augen unter der Pudelmütze; für
die Maske des Dorfrichters Adam in Kleists „Zerbrochenem Krug" fände ein Schauspieler
hier anregende Züge. Dazu stattliche Wittibe mit tüchtigem Kaffeekinn und breiter Bänder-
haube um das wohlgenährte Gesicht. Und in diesem Kreise präsidiert die wackere
Eheliebste des wackeren Meisters, der dieser bürgerlichen Seite in Graffs Welt so nahe
stand, Frau jeanne Chodowiecka als rüstige Hausfrau.
Der Salon von Paul Cassirer vermittelte die Bekanntschaft mit der Sammlung Eduard
Behrens. Aus Hamburg kam sie zu einem Gastspiel. Diese Kollektion, die in den sechziger
und siebziger Jahren zusammengebracht wurde, ist charakteristisch in ihrer Zusammen-
setzung und in ihrer Wirkung. Von den deutschen Modemalem der Zeit ist vieles blail und
wesenlos geworden; ungebrochener Zauber aber geht aus von den Werken der Fontaine-
bleau-Schule, die hier in erlesenen Stücken vertreten sind.
Paul Meyerheim, der sein Katalogvorwort mit allerlei Malicen gegen die böse Gegen-
wart spickt, erscheint mit seiner Menagerie. Diese ]ahrmarkts- und Schaubudenszene ist
rechtleblos, das Getierwirkt ausgestopft und die Menschen als steif hingestellte Statisten. Über-
haupt hat man oftin dieserGegend denEindruck leerenTheaterspielens. So vor der Leinwand
von Ludwig Knaus - von dem es freilich auch malerisch gute Bilder gibt -: Passeier Raufer
vor ihrem Seelensorger. Diese Typen, der Jüngling mit der blonden Perücke, der Intrigant
hinter der Tür, der geistliche Herr mit der zurechtgelegten Miene, werden von schlechten
Schauspielern aufdringlich dargestellt. Passinis Brunnenszene mit Mönch, Kindern und
Maulesel ist ein süßliches Abziehblatt zu einer italienischen Novelle von Paul l-Ieyse. Die
Landschaften erinnern oft an Bühnendekorationen, anVersatzstücke und pappene Prospekte.
Doch Andreas Achenbachs Niederländischer Hafen bei Mondschein hat eine helldunkle
Romantik. Gut ist auch das Affenbild von Gabriel Max, in der Charakteristik des leidenden
greisenhaften Kinderkopfes und in den malerischen Qualitäten des weichliedrigen braunen
Felles in dem zerdrückten weißen Kissen. Und schöne Menzel begegnen : der Pariser Wochen-
tag voll Straßenrhythmus und Menschengeflimmer, mehrere Kircheninterieurs aus der
Prager Synagoge und Münchner Damenstiits-Hochaltar, voll golddurchleuchteten
Dunkels. Aber der bleibende Reiz der Sammlung liegt in den großen Franzosen. Wehende
Stimmungsmagie geht von den Corots aus. Landschaftsmotive mit Weiden werden variiert.
Silbrige Schleieratmosphäre wallt, grünflimmriger Duft gegen den Himmel, und darin ver-
schwimmt unendlich zart, huschig das Gezweig der Bäume. Eine Wasserstimmung
voll nebelnden Dunstes schwebt wie ein hauchiges Phantom. Melancholische Lyrik
schwingt in Daubignys Abend: ein schweigendes Haus am Wasser, wie versinkend, über
der Fläche dumpfes Glänzen später Glut. Man fühlt „wie Todesahnung, Dämmrung deckt
die Lande". Dupres Marine leuchtet mit tauchendem, tanzendem Schiffe voll atmosphärischer