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Volltext: Monatszeitschrift XIII (1910 / Heft 2)

der gelben Portiere - eine kühle gedämpfte Harmonie. Noch einmal erscheint sie, wieder 
von Boucher gemalt, auf einem Bilde, das, wie ein französisches Lustspiel der Gegenwart, 
Le roi heißt. Sie steht hier im Reifrock am Spinett mit seitwärts gewendetem Kopfe 
gewärtig des Angemeldeten. 
Diese Frauenporträte geben immer delikate Kostümstudien. Mit sinnlichem, streicheln- 
dem Wohlgefallen sind die StoiTe malerisch schmelzend nachgebildet, auf einem Fragonard 
das samtige Gelb mit weißen Schleifen, auf dem Camargobild Lancrets das Bleu mourant 
mit Rosengirlanden im Rhythmus der schwebenden gaukelnden Tänzerin, auf dem 
Porträt Danloux der Mlle. Rosalie Duthe' das Weiß auf dem Fond des blaßblauen Sofas 
unter dem blaßblauen Seidenhimmel, bewegt durch die graziöse Biegung des halb knienden 
Körpers der Aktrice, die gerade ein Bild aufhängen will. 
Die Köpfe dieser schönen Damen haben oft etwas Puppiges in ihren glatten Ovalen 
und ihrem Milch- und Blutteint. Doch scheint das nicht ein Mangel der Charakteristik bei 
den Malern, es war eben der Schönheitstyp a la mode. Daneben gibt es auch scharf ge- 
schnittene Gesichter. Und gerade von Watteau, dem Grazienmaler, begegnet ein vom 
Leben eindringlich beschriebenes Frauenantlitz, Elisabeth Desfontaine, die Gattin des 
Bildhauers Pater ist das, verblühend, mit frierenden Augen, die viel geweint, ein Bild in 
Trauer unter dem schwarzen Schleier, aus dem ein weißer Spitzenrand quillt. Und die 
Gräfin Dubarry von Lebrun im wippenden Strohhut mit den schwimmenden Zügen, den 
halb geöffneten Lippen und den Augen voll Lust ist eine erotische Physiognomie- 
studie. Und ungeschmeichelt wirkt derselben Malerin Brustbild der Marie Antoinette, im 
Peignoir. 
Im Charakteristischen sind die Männerporträte übrigens stärker. Vor allem dann, 
wenn Künstler ihresgleichen nachbilden: so Greuzes Kupferstecher Wille mit durch- 
gearbeitetem Kopf und zupackenden Augen; desselben Malers Porträt des Kollegen Jeurat 
im kalmankenen Schlafrock und der weißen, von rotem Tuch umwundenen turbanartigen 
Mütze, darunter ein Behaglichkeitsgesicht, das an Wilhelm Diegelmanns Typ erinnert; 
dann Duplessis herrlicher Gluck, im grünen Kleide mit roten Blumen gestickt, daß man an 
den phantastischen Schlafrock des Archivarius Lindhorst in E. Th. A. Hoffmanns 
„Goldenem Topf" denkt und an des gleichen Dichters Komponistencapriccio, an dessen 
Schluß ein Revenant, geheimnisvoll lächelnd, im Dämmerlicht sagt: „Ich bin der 
Ritter Gluck!" 
Die stärksten Eindrücke als Charakteristiker gibt aber Chardin. Seine Bilder des 
Zeichners und des Mannes mit dem Hammer wirken frappant modern. Die weißen Kittel 
der Figuren sind kömig substantiell behandelt; auf dem ersten Bilde verschmilzt in toniger 
Harmonie dazu das kühle Blau einer Mappe, auf dem zweiten gibt es starke Akzente durch 
den dunklen Hammer und den breitschattenden Rampenrand des schwarzen Hutes. An 
Manet fühlt man sich erinnert bei diesen malerischen Qualitäten, und auch die Stilleben, 
die Glasflasche, der Zinnkrug, die ganz unstoHlich die Objekte nur dazu benutzen, um 
farbigen Abglanz und atmosphärisches Leben widerzuspiegeln, lassen an ihn denken. 
Diese Kunst liebt die weißen Sinfonien. Von Watteau sieht man ein Quartett in 
der Landschaft: Gilles, Scaramouche, Scapin und Harlekin und aus graugriinem Hinter- 
grunde taucht in der Halskrause und im bleichen Mondgewande Pierrot auf. 
Danloux malt Madame de Nozieres in weißem, hochgegürtetem Kleide mit weißer 
Turbanmütze, eine marmorne baumüberschattete Parktreppe herabsteigend. 
Niederländische Einflüsse sind zu spüren im Lancrets Guckkastenmann mit seiner 
genrehaften Kleinbeobachtung alltäglichen Lebensausschnittes. Aber auch Rembrandtsche 
leuchtende Dämmerungen gibt's. Am auffallendsten ist Fragonards Pascha. Ein seltsam 
erregendes Bild. In gelbem Lichte schwimmt es. Heraus taucht ein gelber Riesendiwan, 
darin versunken die massige Gestalt des Paschas. Im Hintergrund ragen schattenhaft 
drohend und dunkel zwei Wächter und vorn beugt sich die neue Sklavin tief zur Erde, eine 
schwanke Figurine von marionettenhafter Grazie mit wippendem kleinen Köpfchen.
	        
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