Das geometrische und das von Naturforrnen abgeleitete Ornament waren
gleicherweise vertreten. Einzelne Entwürfe versuchten die Verwertung der
menschlichen Figur für das Dessin. Im ganzen erbrachte die Ausstellung
den Beweis für den großen Reichtum an Erfmdungsgabe und Talent, die in
der Schülerschaft leben, und zeigte, daß für den Bedarf der Kunstindustrie
und des Kunstgewerbes hier eine nicht leicht zu erschöpfende Quelle zur
Verfügung stehe.
Die Ausstellung war von mehr als IOOO Personen besucht, darunter
Vertretern der hervorragendsten, auf dem Textilgebiet tätigen Gewerbe-
treibenden und Kunstindustriellen. Die meisten derselben begrüßten die Ein-
führung dieser kleinen Entwurfausstellungen mit Genugtuung, betonten den
Wert der an der Kunstgewerbeschule geübten Entwurfstätigkeit für die öster-
reichische Produktion und machten zum Teil interessante Mitteilungen über
die Schätzung des Wiener Dessins auf dem Weltmarkt. Manche erklärten
geradezu, erst durch die Entwürfe aus dem Kreise der Wiener Kunstgewerbe-
schule exportfahig geworden zu sein. Die Originalität dieser Entwürfe ermög-
liche es, im Konkurrenzkampfe höhere Preise für das Produkt zu erzielen.
Es wurden zahlreiche Erwerbungen gemacht, deren Gesamtbetrag
1700 Kronen erreichte. Diese Summe kam den Schülern als Urhebern der
angekauften Entwürfe ungeschmälert zugute. Die meisten Erwerber von
Entwürfen äußerten die Absicht, dieselben sofort ausführen zu lassen.
EINE BISHER UNBEKANNTE MEISSNER
KAENDLER-GRUPPE 5b VON K. BERLING-
DRESDEN 50'
AS Dresdner Kunstgewerbemuseum ist seit kurzem
in den Besitz der auf Seite x66 abgebildeten un-
bemalten Porzellangruppe gelangt, die nach ver-
schiedenen Seiten hin das Interesse weiterer
Kreise verdient. Sie ist im vorigen Jahr in der
königlichen Porzellanfabrik zu Meißen hergestellt
worden, und zwar aus einer Form, die Professor
I-Iösel, der „Vorsteher der Gestaltungsabteilung"
in Meißen, bei seinem höchst verdienstvollen
Erforschen des alten Formenbestandes ausfindig
gemacht hat.
Auf einem um zwei Stufen erhöhten, mit Rokokoschnörkeln und der
Königskrone geschmückten Thronsessel sitzt eine reichgekleidete Frauen-
gestalt, die, wie mir heute unzweifelhaft zu sein scheint, Maria Josepha, die
Tochter Josephs I., des Kaisers von Österreich, darstellt. Sie war seit 1719
mit Friedrich August II., August III., dem Kurfürsten von Sachsen und
König von Polen vermählt und ist am X7. November 1757 gestorben.