(in seiner Programmschrift „Die deutsche Malerei") und die empfangene Natur aus der
Empfindung wiedergeben. Die altdeutschen Meister sind seine Vorbilder, deren Weise
noch in Böcklin nachklingt. Steppes ist ein Gesinnungsgenosse des trefllichen Karl Haider.
Diesen und Böcklin sieht man ihm auch deutlich genug an; Böcklin, namentlich seinen
glattgrau aufsteigenden Baumstämmen und den blumigen Frühlingswiesen, besonders
aber einem gewissen weißen, von blauen Spuren durchbrochenen ernailglänzenden
Himmel. Aber der junge Künstler, heute 35 Jahre alt, ist bereits zu seinem eigenen Typus
von Natur durchgedrungen. In diesen weitgeschwungenen Szenerien ist eine Feierlichkeit
von Linie, ein Aufbau großer Flächen, von wenigen, still zusammengehenden Tönen. Eine
Heiligkeit waltet in dieser Natur. Wenn er im Hintergrunde des Sees die gewaltige graue
Felsmauer aufbaut oder in das klare „Abendgold" die Gefühlslinie einer schmalen, zierlich
befransten italienischen Pappel aufschießen läßt oder am Horizont Reihen heller Hügel
mit winzigen dunklen Baumkronen sprenkelt. Oder wenn er mit den Augen einem weißen
Wege folgt, der sich wie ein vernünftiges Wesen über grüne Hänge herab-, durch grüne
Schlüfte hinanwindet. Der Mensch spielt dabei gar keine Rolle. Die Natur ist mit sich
allein, der Mensch scheint noch gar nicht erschaffen zu sein. Man erinnert sich wirklich
an die landschaftlichen Hintergründe einer Kopie van der Weyden oder auch eines
Trecentisten aus dem Valdarno. Dabei wird man aber doch nicht übersehen, daß die
Praxis eigentlich die Theorie Lügen straft. Er hat denn doch das strichelnde Verfahren
übernommen, wenn er auch nicht fiebert wie van Gogh oder flimmerhaft wimmelt wie
Segantini. Alle seine Flächen sind voll „Pinselstrichsä den er doch bemängelt. Wie
durch ein Gewebe zieht sich jede Faser in leisen Schwingungen durch halbe Bildbreiten
hin. Es steht ja außer Zweifel, daß die Ruhe sich dadurch mit innerer Regung füllt, die
abstrakte Formel doch wieder heimlich an die Unmittelbarkeiten der Natur mahnt. So
stehen die Steppesschen Malereien zwischen zwei Gegensätzen, ohne doch einen Charakter
von Halbheit zu haben.
ÜDVVIG HEVESLT Am 27. vorigen Monats ist Ludwig Hevesi dahin-
geschieden, der seit Begründung unserer Zeitschrift deren ständiger
Mitarbeiter war, regelmäßig die Berichte „Aus dem Wiener Kunstleben" verfaßt
und seinen letzten längeren Aufsatz im januarheft über unsere Ausstellung
österreichischer Kunstgewerbe veröffentlicht hat. Das Österreichische Museum
verliert in ihm einen guten treuen Freund, einen feinsinnigen Beurteiler, der
an den Ausstellungen alter und neuer Kunst, an der praktisch-künstlerischen
Tätigkeit des Museums, die auf Erziehung der Kunsthandwerker und deren
inniges Zusammenwirken mit den Künstlern abzielt, und an allen literarischen
und wissenschaftlichen Arbeiten der Angehörigen des Institutes den regsten
Anteil genommen hat. Hevesi war eine kampffreudige Natur, ein Streiter für
die neue Kunst, ein trotz seiner vorgeschrittenen Jahre stets mit den jungen
und Jüngsten empfindender Stürmer und Dränger, dabei aber, bei aller Schärfe
seines kritischen Geistes, voll Wohlwollen und glücklich, wenn er loben und
fördern konnte. Seine geistige Teilnahme und sein eigenes Arbeiten und Denken
umfaßten die ganze Entwicklung der künstlerischen Kultur, vom klassischen Alter-
tum bis auf unsere Tage, alles interessierte ihn, überall suchte er zu lernen und
Beziehungen anzuknüpfen, in das Wesen und Werden der Kunst der Völker
und Zeiten einzudringen und den Zusammenhang alles Geschehens zu erkennen.