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ÜBER EIN MESSGEWAND DER KIRCHE ZU
RADMER Sie VON MORIZ DREGER-WIEN 50'
ERR Baurat Karl Bertele von Grenadenberg hatte
die Freundlichkeit, uns auf die reizvolle, hier in
einer Farbentafel wiedergegebene, Stickerei auf-
merksam zu machen. Er hatte auch vorher schon
in der mit Dr. Franz Schnürer gemeinsam heraus-
gegebenen Festschrift „Radmer, Gedenkblätter
zur Dreijahrhundert-Feier der Kirche" (Wien
' 1902) auf die Schönheit dieses Stückes hin-
. gewiesen.
Der Überlieferung nach ist dieses Meß-
gewand, zu dem auch noch eine Stola und Manipel erhalten sind, von den
Töchtern Kaiser Ferdinands II. gestiftet und der Kirche zu Radmer gewid-
met worden (heute befindet es sich als Leihgabe im Museum zu Eisenerz).
In Radmer gab es ein altes Kupferbergwerk; die „Berggenossen, Köh-
ler, Holzknecht und Bauersleut" waren nun im XVI. Jahrhunderte, wie an so
vielen Orten der Steiermark, besonders auch den bergbautreibenden, zum
Protestantismus übergetreten und erst durch den Kaiser Ferdinand, zur Zeit,
da er noch Herzog von Steiermark war, sowie durch den Bischof Brenner von
Seckau wieder zum Katholizismus zurückgeführt worden. Die Bevölkerung,
die wegen des tiefen Schnees manches Jahr im Winter nicht zur Kirche
gehen und auch die Toten oft lange nicht bestatten konnte, bat dann aber
um die Errichtung einer Filialkirche samt einem Friedhofe. Tatsächlich wurde
die Kirche vom Erzherzoge gestiftet und am I0. August 1602 in Gegenwart
des Fürsten, seiner Mutter und seiner Geschwister durch den genannten
Bischof feierlich geweiht. Das Altarbild war aus der Grazer Kunstkammer
herbeigebracht worden.
Die Gegend von Eisenerz und Radmer war auch ein schon von Kaiser
Max bevorzugtes Jagdgebiet und Kaiser Ferdinand I. und Ferdinand II. be-
suchten es gleichfalls häufig und gern. Dieser letzte allerdings wohl nur bis
zum Jahre 161g, da er zum Kaiser gewählt wurde und seine Residenz nach
Wien verlegte. Nun beschränkte er sich wohl auf die Jagdgebiete der Wiener
Gegend; bis dahin soll er aber fast jedes Jahr nach Radmer gekommen sein
und dort auch in der Kirche stets die Messe gehört haben.
Es ist also nicht so unwahrscheinlich, daß der Erzherzog oder die
Seinen der Kirche auch ein Meßgewand gespendet haben; im Gegenteile,
man muß es von den Stiftern der Kirche und des Hochaltares eigentlich
voraussetzen. Aber in der oben angeführten Überlieferung muß irgendeine
Unrichtigkeit vorliegen. Das Gewöhnliche ist ja, daß man hohe Frauen, die
eine Stickerei spenden, in der späteren Überlieferung zugleich zu ihren Ver-
fertigerinnen macht. Wir haben schon bei der Maria-Theresien-Paramenten-
Ausstellung, die vor einigen Jahren in Wien stattfand, auf diesen Umstand
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