Teil der Stola
zum Maß-
gewande aus
der Kirche zu
Radrner
gewand in Ostasien bestickt wurde. Wir haben schon wiederholt
(vergleiche Kunst und Kunsthandwerk 1906, Seite 208) darauf
hingewiesen, daß man schon seit Jahrhunderten zugeschnittene
europäische Gewandstücke u. a. nach China zum Besticken
sendete; hier ist dies aber jedenfalls nicht der Fall gewesen. Die
Kasel, wie die zugehörige Stola und Manipel, sind offenbar aus
einem größeren Stücke, vielleicht aus einem Behange, heraus-
geschnitten worden; ein großer Teil des ursprünglichen Randes
ist uns noch in der Stola, die ebenso wie die Manipel aus ver-
schiedenen Teilen zusammengestückt ist, erhalten (Abbildung
nebenstehend).
Gerade der erwähnte Rand kann uns aber vielleicht Auf-
schluß über die Entstehungszeit geben. Wir haben hier offenbar
eine mit europäischen Renaissanceformen verwandte Zeichnung
vor uns. Es sind die für die Zeit so bezeichnenden symmetrisch
aneinandergesetzten S-Forrnen, deren zwei Arme aus Blumen-
kelchen herauszuwachsen scheinen; auch sind die bekannten
ringartigen Verbindungen der aneinanderstoßenden S-Teile vor-
handen.
Das wäre ganz europäisch und unchinesisch; dagegen ist
die eigentümliche fast iiammenartige Ausgestaltung des Blatt-
werkes an diesen S-Formen wieder ganz uneuropäisch und echt
chinesisch.
Wir haben schon an der früher erwähnten Stelle und sonst
darauf hingewiesen, wie zu wiederholten Malen und besonders
wieder von der späten Renaissance an europäische Formen in
die chinesische Kunst eingedrungen sind, nicht zum mindesten
wohl dadurch, daß die Europäer - in der erwähnten Zeit vor
allem die Holländer - europäische Muster zum Weben oder
Sticken nach Ostasien gesendet haben; waren die dortigen Arbeits-
kräfte doch nicht nur geschickt und billig, sondern trotz ihrer
alten Kultur auch immer von großem Nachahmungsvermögen.
Wir führen hier noch ein hierhergehöriges Beispiel an (Ab-
bildung auf Seite 277), das bisher gleichfalls ganz verkannt
worden ist. Es wurde - wir möchten fast sagen: natürlich -
für spanisch erklärt; denn in den letzten Jahrzehnten bezeichnete
man alles Absonderliche in der Textilkunst als spanisch.
Es ist ein Seidendamast, der in der linken Hälfte rot auf
blasserem Rot und rechts gelb auf Gelbrot gemustert erscheint.
Dieses Nebeneinandersetzen streifenweise verschieden gefärbter,
sonst gleicher, Musterung ist eigentlich echt renaissancemäßig
und sowohl auf Gemälden der Renaissancezeit, welche Wand-
bespannungen erkennen lassen, als bei ausgeführten Stoffen
nicht selten; es brauchen allerdings nicht immer beide Farben