renaissancemäßige Formen in Ostasien noch zu einer Zeit erhalten hätten,
da nicht mehr ähnliche Vorbilder aus Europa selbst kamen. Eine auf ein-
malige Befruchtung durch europäische Muster zurückgehende spätere Aus-
führung der Motive in China hätte gewiß schon mehr ins rein Chinesische
hinein umgewandelt sein müssen. Übrigens haben dort inzwischen auch
wieder Barockformen gewirkt.
Mit der angenommenen Datierung stimmen nun auch die auf der Kasel
und teilweise auf den andern Stücken aufgesetzten sicher europäischen
Borten aus gesponnenem Metallgolde; sie zeigen in ihrer Musterung und der
eigentümlichen noppenartigen Webe das klare Gepräge des späten XVI. oder
der ersten Hälfte des XVII. Jahrhunderts. i
Nach dem ganzen Befunde muß es wohl als ausgeschlossen gelten, daß
diese alten Borten etwa später auf eine jüngere Stickerei aufgesetzt wären.
Die Stickerei muß vielmehr mehr oder weniger älter sein als die Borten;
vermutlich reicht sie also mindestens in die Zeit vom XVI. bis spätestens in
den Anfang des XVII. Jahrhunderts zurück.
Es liegt somit gar kein Grund vor, daß die früher erwähnte Überlieferung
nicht so weit richtig sei, daß wir hier eine Schenkung des erzherzoglichen
Hofes aus der Gründungszeit der Kirche (1609) vor uns haben. Es ist sogar
sehr wahrscheinlich; denn wer sollte später ein so erlesenes Stück an diesen,
der großen Welt immer mehr entrückten, Ort gebracht haben? Daß der
Hof aber eine solche kostbare ausländische Arbeit besessen habe, wäre nicht
zu verwundern, werden uns doch in den alten Inventaren viele „indische",
„türkische" und andere Arbeiten aufgezählt, wobei die „indischen" übrigens
großenteils ostasiatisch waren.
Auch die Verarbeitung eines beliebigen, wenn nur kostbaren, Stückes für
kirchliche Zwecke ist in älterer Zeit etwas ganz Gewöhnliches; man wollte
eben das Schönste und Seltenste dem Dienste des Herrn weihen. Wir wollen
aber auf den Nachweis des Spenders nicht zu viel Wert legen; denn, wenn
nicht ein neuer Fund hier Klarheit schafft," läßt sich über den Spender wohl
höchstens etwas Wahrscheinliches, nicht aber etwas Sicheres, sagen. Es
genügt uns, nachgewiesen zu haben, daß uns hier eine herrliche ostasiatische,
wohl sicher chinesische, Arbeit erhalten ist, die auf ein Alter von 300, wenn
nicht mehr, Jahren zurückblickt.
Gegenüber solchenWerken erscheinen die gewöhnlichen naturalistischen
oder absichtlich altertümelnden Arbeiten, die unsere Museen als Beispiele
chinesischer und japanischer Kunstfertigkeit füllen, kaum mehr erträglich.
Wir hoffen aber durch das Zusammentragen guter alter Arbeiten Ostasiens
allmählich ein richtiges Bild der ostasiatischen Kunst selbst, und zugleich auch
der Wechselbeziehungen zwischen ihr und der europäischen Kunst, zu
gewinnen. Und jedenfalls können wir hier auch ein hervorragend schönes
Werk bieten, das an und für sich Genuß bereitet.