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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde
Herausgeber: Norbert Ehrlich
21. Jahrgang Wien, 15. Dezember 1929 Nr. 24
2Vo finden die J'igdor-Jlüküonen statt?
Es galt bis vor kurzem als feststehend, daß die
Versteigerungen der weltberühmten Schätze des ver
storbenen Wiener Sammlers Dr. Albert Figdor
in Wien erfolgen werden. Noch vor Monatsfrist
kündigte der Käufer der Sammlungen, der Betliner
Kunsthändler Gustav N e b e h a y, im „Berliner
Tagblatt“ an, daß er „alle Auskünfte über die im
Frühjahr 1930 in Wien stattfindende erste
A uktion Dr, Albert Figdor“ erteile; nun scheint
es fraglich geworden zu sein, ob die Auktionen in
Wien stattfinden werden. Die mit der Durchfüh
rung der Versteigerung betrauten Wiener Kunst
auktionshäuser Artaria & Co. und Glück
selig versenden nämlich folgende
Erklärung:
Gegenüber allen bisherigen Nachrichten ist fest
zustellen: Die Auktion Figdor wurde den Unter
zeichneten Wiener Firmen übergeben, in der Vor
aussetzung, daß die Auktionsabgaben, die hier ins
gesamt über 10 Prozent, gegenüber 114 Pro
zent in Deutschland, betragen, entspre
chend herabgesetzt würden.
Trotz aller Vorstellung bei der Gemeinde unter
Hinweis auf die oft besprochenen direkten und
indirekten Vorteile, welche sowohl Wien
als Kunststadt, wie auch dem Bund und insbeson
dere der Gemeindekasse durch Abhaltung
dieser Millionen-Auktionen in Wien erwachsen wür
den, ist es nicht möglich gewesen, für diese Auktion
bei der Gemeinde irgend ein Entgegenkommen zu
erreichen.
Die Auktionen müssen daher zwangsläufig in
Berlin stattfinden, wodurch Wien einen in Zahlen
kaum auszudrückenden Schaden, ins
besondere aber auch in ideeller Beziehung er
leidet.
Artaria & Co,,
Auktionshaus Glückselig,
Ges, m. b. H.
Die Firma Artaria, die uns die Erklärung über
mittelt, fügt noch bei, daß die Auktionen von den
beiden Firmen im Verein mit der Firma Cassirer
in Berlin abgehalten werden, die e r s t e und
vielleicht auch die zweite Auktion nochimFrüh-
j a h r 1930
Das Wiener Rathaus hat die Erklärung der
Auktionshäuser mit einer Gegenerklärung beant
wortet, in der sein Standpunkt in der Sache, wie
folgt, dargelegt wird:
„Der Kampf um die Sammlung Figdor ist alt.
Der Berliner Kunsthändler Nebehay hatte seiner
zeit von den Erben Figdors die kostbare Sammlung
für ein deutsches Konsortium zum Zwecke der Ver
steigerung erworben. Diese Tatsache hat die größte
Ueberraschung hervorgerufen, weil es ja allgemein
bekannt war, daß, gerade um die Sammlung Figdor
für Oesterreich zu erhalten, seinerzeit eigens ein
Gesetz gemacht worden war. Dieses Gesetz be
stimmt, daß eine einheitliche Sammlung nicht auf
gelöst werden dürfe. Die Anwendung dieses Ge
setzes auf die Sammlung Figdor war übrigens Gegen
stand eines Prozesses vor dem Verfassungsgerichts
hof, bei dem der Berliner Kunsthändler obsiegte.
(Es soll wohl heißen nicht obsiegte. Anna, d. .Red.),
Man konnte sich daher nicht erklären, warum ange
sichts dieses Tatbestandes Händler das Risiko des
Ankaufes einer als unteilbar erklärten Sammlung
auf sich nahmen. Weiter kam zutage, daß entgegen
allen Erklärungen des Denkmalkomitees die Regie
rung diese Sammlung doch freigab.
Diese Angelegenheit war Gegenstand von An
fragen im Nationalrat. Man mußte aber doch selbst
nach der Freigabe als selbstverständlich annehmen,
daß diese Freigabe unter ausdrücklicher
Bedingung abgegeben worden sei, daß diese
Versteigerung nirgends anders stattfin
den dürfe als in Wien. Die Gemeinde Wien konnte
diese Rücksichtnahme um so eher erwarten, als sie
das Anbot des Konsortiums, den städtischen Samm
lungen eine Reihe von Kunstgegenständen zu
schenken, wenn die Gemeinde ihren ablehnenden
Standpunkt gegenüber einer Freigabe der Sammlung
ändere, zurückgewiesen hat,
Verhandlungen, beziehungsweise Vorstellungen
bei Auktionshäusern, die auf die Möglichkeit einer
Versteigerung in Berlin verwiesen, konnten für die
Gemeinde Wien kein Anlaß sein, ein Spezial
gesetz für die Bemessung der Abgaben für die
Sammlung Figdor zu schaffen. Die Ueberzeugung
der zuständigen Regierungsstelle, daß die Auktion
der Sammlung Figdor selbstverständlich in Wien
stattfinden wird, wurde den versprechenden Händ
lern mitgeteilt. Es wurde ihnen nichtsdestoweniger
außerdem mitgeteilt, daß die Gemeinde Wien an
Auktionsabgaben 7 Prozent einzuheben berechtigt