LINKS:
ALTER SCHMUCK.
i. Englische Goldbrosche,
XIV. Jahrhundert.
2,3, 5. Romanische Gold-
ringe.
4. Russischer Anhänger.
RECHTS:
NEUER SCHMUCK von
H. Wilson.
X. Goldene Halskette mit
Smaragden, Opalen,
Saphiren, Perlen.
2. Vorderansicht eines
Reliquiarringes, der
vorne |zu öffnen ist.
GOLDSCHMIEDEKUNST.
enn das schmuckkaufende oder schmucktragende
Publikum unsere Feststellung der Wertlosigkeit
des heutigen Durchschnittsschmucks (siehe Heft 20,
Seite 343 der „Hohen Warte“, Jahrgang I, 1905)
bezweifelt und es nicht glauben kann, daß der im Laden
gekaufte Schmuck fast ausnahmslos Maschinenprodukt ist,
das künstlerisch keinen Wert besitzt, so lese es einmal die
Anfragen in der deutschen Goldschmiedezeitung (Nr. 41,
VIII. Jahrgang), die ich wörtlich wiederhole:
FRAGE 406. Welche Firma fabriziert Stock' und Schirm'
griff'PRESSUNGEN im rohen Zustand, nicht montiert?
FRAGE 407. Wer liefert PRESSUNGEN, doppelseitig, von
FIGUREN, Tieren, Sportemblemen u. s. w.?
FRAGE 419. Wer liefert glatte Armreifen in NEUSILBER
VERSILBERT, in Form wie Trauringschienen?
Ich frage die Laien: „Haben Sie jemals Schmuck gekauft
mit der Voraussetzung, daß er eine maschinenmäßige Pressung
ist? Ist Ihnen der Schmuck jemals als etwas anderes er'
schienen, denn eine Handarbeit? Sie haben also nicht gewußt,
daß Sie eine Maschinenarbeit — Pressungen — kaufen, die
Ihnen eine Handarbeit vortäuschen? Würden Sie Schmuck
kaufen, wenn Ihnen vorher gesagt wird, daß es Pressungen
sind?“
Sicherlich werden alle Laien antworten: Nein, wir haben es
nicht gewußt, wir sind betrogen worden.
Ich sage aber darauf: „Wenn Sie betrogen worden sind, so
ist es Ihre Schuld. Sie haben sich nie bemüht zu unter'
scheiden lernen, was echt ist und was falsch. Sie haben sich
gerne das Falsche gefallen lassen, wenn es nur einen Schein
von Echtheit hatte. Sie haben keine Ansprüche an Gediegen'
heit, Sachlichkeit und tektonischer oder kunstgerechter Her'
Stellung gehabt, die nur in Zeiten und bei Menschen von wirk'
lieber Kultur vorhanden sind. Sie würden Metallerzeugnisse,
die ihre maschinelle Herstellungsweise ehrlich zur Schau tragen,
entrüstet zurückweisen. — Sie wollen Handarbeit, wenn auch
mit der Maschine hergestellt. Das heißt: Sie verlangen irgend
eine Stilart, ein historisches Ornament und vergessen, daß die
historischen Stile ausnahmslos Handarbeit waren und daher
unnachahmlich sind. Was nachahmlich und überlieferbar ist
als „Tradition“ — um dieses bei Ihnen gewiß beliebte, aber
völlig mißverstandene Wort zu gebrauchen — ist einzig der
Stil, den die Herstellungsweise, das Werkzeug bedingt.
An diesem Stil und seinen persönlichen oder künstlerischen
Ausdrucksmöglichkeiten ist Ihnen aber niemals gelegen ge'
wesen. Darum haben Sie immer nur das unpersönlich ge'
wordene historische Ornament — K es offenbarte einst gewiß
eine persönliche und künstlerische Beziehung, doch ist diese
persönliche Beziehung in Vergessenheit gekommen — be'
vorzugt und ließen sich’s stillschweigend gefallen, daß es
auch auf die unpersönliche Art der Maschine hergestellt
wurde und wird. Dagegen aber würden Sie die Zumutung,
die unpersönliche Herstellungsart der Maschine, die immer
nur für Massen arbeitet, an dem Produkt als charakteristische
Merkmale sichtbar zu machen, entschieden ablehnen. Sie
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