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Volltext: Monatszeitschrift XIII (1910 / Heft 8 und 9)

LTE INNENRÄUME ÖSTERREICHISCHER PALÄSTEÄ" Der Heraus- 
geber dieser Publikation, Regierungsrat Josef Folnesics, dem wir die erstmalige Zu- 
sammenfassung des Wesens des österreichischen Biedermeierstils verdanken, sagt in dem 
Vorwort: „In der Poesie des Raumes liegt die Poesie der Zeit", und legt mit Recht gerade 
auf die unerschöpfliche Ausdrucksfähigkeit des menschlichenWohnraumes in künstlerischer 
Beziehung einen außerordentlichen Wert. Denn weitaus tiefer und eindringlicher als aus 
der Betrachtung des einzelnen Kunstwerkes, und sei es von dem größten Meister geschaffen, 
lernen wir den Geist einer vergangenen Kunst aus den Wohnräumen erkennen, in welchen 
jene Menschen gelebt haben. Der Wohnraum gibt das beste Bild der Individualität seiner 
Bewohner und des gesamten Zeitgeschmackes. Leider sind vollständig erhaltene Interieurs, 
welche getreue Abbilder ihrer Kultur sind, nur in minimaler Anzahl vorhanden und je weiter 
die Zeit zurückliegt, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit ihrer Erhaltung. Es ist klar, 
daß jede neue Generation mit ihrem anders gearteten Raumbedürfnis und dem persönlichen 
Geschmack der Bewohner unwillkürlich ummodelt und umstellt, wegnimmt und hinzufügt, 
eine Gefahr, der allerdings Repräsentationsräume in öffentlichen Gebäuden vielleicht 
weniger ausgesetzt sind als Privatwohngemächer. Ich kann mir denken, daß eine Aus- 
stellung von Abbildungen historischer Wohnräume, wie sie uns in Gemälden, Stichen, 
Handzeichnungen, Miniaturen, Buchillustrationen und auch in Werken der Plastik noch 
erhalten sind, angefangen etwa von den Zeiten der Frühgotik bis zum Ende der historischen 
Stilarten, um 183a, nicht bloß für den feinsinnigen genießenden Kunstfreund, dem die 
Kultur alter Zeiten lebendig vor Augen steht, sondern auch für den schaffenden Künstler 
eine Fülle von Anschauungsmöglichkeiten, Genüssen und Anregungen bieten kann, wie 
keine noch so reichhaltige und vollständige Spezialausstellung alter Möbel etwa oder kunst- 
gewerblicher Gebrauchsgegenstände. Aus diesen Motiven heraus, glaube ich, hat sich 
Josef Folnesics entschlossen, den Bestand der gerade in Österreich, wenigstens aus dem 
XVIII. Jahrhundert, noch ziemlich zahlreich vorhandenen alten Interieurs im Bilde fest- 
zuhalten, eine Notwendigkeit sowohl in kultureller als kulturhistorischer Beziehung; ja sogar 
ein Gebot. Vorläufig ist das Werk auf drei Lieferungen zu je 4c Tafeln berechnet, ohne 
jedoch auf eine weitere Ausgestaltung zu verzichten. Sehr schön setzt die erste Lieferung 
ein mit 25 Interieuraufnahmen aus dem Palais des Erzherzogs Friedrich, oben auf der 
Albrechtsrampe in Wien, das einer der kultiviertesten und feinsten Köpfe am österreichi- 
schen Kaiserhof, Herzog Albert von Sachsen-Teschen, der Gemahl der Erzherzogin Marie 
Christine, geschaffen hat. Eine ähnliche sympathische Erscheinung als Mensch wie als 
Kunstfreund und Kunstsammler war in der ersten Hälfte des jahrhunderts Prinz Eugen, aus 
dessen Winterpalais in der I-Iimmelpfortgasse (jetzt k. k. Finanzministerium) eine Reihe von 
Aufnahmen vorliegen. Dazu kommen noch einige Blätter aus dem k. k. Reichskriegs- 
ministerium am Hof und der Salzburger Residenz. Es braucht für den Kenner wohl nicht 
erst hervorgehoben zu werden, daß in erster Linie die Wand- und Deckendekoraüon maß- 
gebend ist, da es speziell von manchen der Möbel und Werken der Kleinkunst, besonders 
in den bewohnten Zimmern des Albrechtpalais, nicht feststeht, ob sie die ursprünglichen 
sind oder, was die Möbel betrifft, nicht wenigstens eine Umstellung erfahren haben. Aber 
immerhin bieten diese aufs reichste mit Malerei und Stuck gezierten Wände und Decken, 
die Beleuchtungskörper, Gobelins, Skulpturen, Türen, Fußböden und Öfen eine Fülle vor- 
trefflichen Anschauungs- und Studienmaterials für Sammler und Künstler, sowie nach- 
haltige Eindrücke wirklichen Genusses. Herrscht im Albrechtpalais die graziöse, reiche, 
stark französisch beeinliußte Louis XVI-Kunst, so ist das Winterpalais des Prinzen Engen 
in entzückenden Regence- und Friihrokokoformen geziert. 
Es ist zu wünschen, daß diese Publikation, die sowohl inhaltlich als technisch in den 
besten Händen ruht, so viel wirkliches Interesse erwecke, um ihre beabsichtigte Fort- 
führung und Erweiterung zu ermöglichen. E. W. Braun-Troppau 
"i Alte Innenräume österreichischer Schlösser, Paläste und Wohnräume. Herausgegeben von Josef 
Folnesics. Wien, Anton Schroll ä Co., Fol. Erste Lieferung.
	        
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