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Objekt: Leder (Gruppe VI, Section 1), officieller Ausstellungs-Bericht

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S. Goldfchmidt. 
Wir haben nun noch die verfchiedenen Verfuche, radicale Aenderungen 
und Verbefferungen in der Gerberei einzuführen, zu erwähnen, die auf der Aus- 
ftellung vertreten waren, wenn diefs auch nur flüchtig gefchehen kann, da die 
Manipulationsweife und die Refultate befonders des Gewichtsergebniffes und 
der Haltbarkeit nicht angegeben waren. Soweit uns bekannt ift, waren diefs blofs 
die fchon früher erwähnten Sohlleder von N. Baluffi & Sohn, ferner von 
H. Gramm in Ludwigsluft, Leder mit Mineralfalzen präparirt, 'dann vonRam- 
b ach er in Antoing , kleine Riemenproben und endlich Sohlleder mit dem 
Miller’fchen Extradt gegerbt. Der Miller’fche Extradt, aus der canadifchen Fichte 
(pinus canadienfis) erzeugt, gerbte nach Angabe das ausgeftellte Sohlleder in 
sechs Monaten und die ausgeftellte Walrofshaut in acht Wochen. Noch haben 
wir desExtradles aus Kaftanienbaum-Holz vom Aime Koch et Comp, zu erwähnen. 
Wenn wir nun diefe wenigen Verfuche, zu ändern und zu belfern, deren 
Refultate noch dazu fraglich find, gegen die grofse Maffe derer halten, die noch 
fall genau an dem alten Verfahren hängen, das wir fchon in dem älteften Werke 
über Gerberei, welches 1708 von Desbillets, Mitglied der königlichen Akademie 
der Wiffenfchaften in Paris, erfchien, befchrieben ift, fo dürfen wir wohl behaupten, 
dafs das Gerbergewerbe eines der confervativften ift, da es kaum ein zweites geben 
durfte, in dem im Verlaufe von mehr als anderthalbhundert Jahren die Chemie 
nicht eine radicale Umwälzung hervorgebracht hat; es ift diefs um fo mehr zu ver 
wundern, als die praktifche Chemie auf allen Gebieten der Induftrie fo riefige 
Fortfehritte gemacht hat und gerade hier, wo es fleh um rein chemifche Proceffe 
handelt, ein fo weites Gebiet menfchlichen Wiffens und Wirkens unbeachtet liefs. 
Es würden zwar die verfchiedenartigften Verfuche gemacht, aus der thieri- 
fchen Haut, durch Einwirkung anderer Stoffe als Vegetabilien fchneller oder beffer 
dem lohgaren ähnliches Leder zu erzeugen, aber immer fcheiterten diefelben an 
der Unrentabilität in Bezug auf den Koftenpreis oder das Gewichtsergebnifs oder 
an der geringeren Haltbarkeit des Fabricates, und die hervorragendften unter den 
Freunden des Fortfehrittes auf dem Gebiete der Gerberei mufsten ihre Verfuche 
oft mit dem Verlufte ihres Vermögens biifsen ; und warum follte es doch unmöglich 
fein, diefen Gerbftoff auch auf anderem Wege als aus Vegetabilien zu bereiten und 
durch Verbindung mit der thierifchen Haut Leder zu erzeugen? 
Wohl wird man einwenden, dafs fleh fchon bedeutende Chemiker mit der 
Analyfe folcher Stoffe befchäftigt, dafs fchon fehr intelligente Gerber diefes Ver 
fahren gefucht und ihre Verfuche theuer gebüfst haben, ohne praktifche Erfolge 
zu erzielen. Was aber dem Einen nicht gelang, dem nur die Theorie, und dem 
Anderen, dem nur die Praxis geläufig, — follte diefs unmöglich fein, wenn die Theorie 
mit der Praxis, wenn der Chemiker mit dem Gerber vereint einem gleichen End 
ziele zuftreben ? 
Die Gerberei ift ein Gewerbe, deffen Refultate auf der Einwirkung gewiffer 
Stoffe auf die thierifche Haut, beruhen, diefe zu finden, wäre die Aufgabe des 
Chemikers. Diefe Einwirkung fo zu leiten, dafs ein möglifchft praktifches Refultat 
gewonnen wird, wäre die Aufgabe des Gerbers. Dem Einzelnen ift bis jetzt die 
Löfung der Aufgabe auf anderem als dem bisherigen Wege, beffer, billiger oder 
fchneller Leder herzuftellen, nicht gelungen. Wäre es nicht dem mächtigen Hebel 
der Affociation möglich, was dem Einzelnen nicht gelang? 
Solltees nichtmöglich fein, durcheinen Verein der dabei 
am meiften intereffirten Lederfabrikanten eine Verfuchsftation 
für Gerberei zu gründen, wonach Anftellung eines bewährten 
Chemikers und eines tüchtigen Gerbers, die vereint arbeiten 
würden, Verfuchege m achtwerden könnte n, ohnezug rofseKoften 
für den Einzelnen, eine complete Umwälzung d e s b i sh e rig en 
Gerbeverfahrens auf wiffenfchaftlichem und praktifchem Wege 
herbeizuführen, und zugleich ein Inftitut zu gründen, wo alle 
neuen Erfindungen auf dem Gebiete derHilfsmafchinefürdie
	            		
Leder. 21 Gerberei geprüft werden könnten, womit gleichzeitig eine Bildungsanftalt für angehende Gerber zu verbinden wäre, die tüchtige und gebildete Gerber fc hoffen würde, diewiffenfchaft- lich und praktifch ausgebildet, neuen Ideen zugänglich, auch die Fähigkeit haben würden, fe 1 b e praktifch zu verwerthen. Sollte diefe Idee zweckmäfsig ins Leben gerufen werden, fo dürfte wohl bei einer nächften Weltausftellung der Bericht über die Ledererzeugung anders lauten als bisher, wo es in jedem Berichte hiefs, es wird beffer zugerichtet, es wird fchöner gearbeitet als früher, aber heute wird noch gegerbt wie vor hundert Jahren, und heute wie vor hundert Jahren gilt, um gut zu arbeiten, der Grundfatz: Viel Zeit und viel Lohn. Die als Lohproben ausgeftellten Rinden gehören in die Gruppe II, die uncomplete Sammlung von Vallonea und Knoppern in dem Pavillon des Welthandels gleichfalls. Was fonft an Gerbematerialien der exotifchen Länder ausgeftellt war, hat für unfere Verhältniffe wenig Werth. Unverftändlich in ihrer Form, felbft in Namen oft nicht richtig angegeben, kennen wir deren Wirkung nicht und waren auch nicht im Stande, folche auf der Ausheilung zu unterfuchen. Wenn wir fomit auf die Berichterftattung über ausgeftellt gewefene Gerbe materialien verzichten müffen, fo können wir doch nicht umhin, bei der grofsen Bedeutung, welche diefe Erfindung für die gelammte Lederinduftrie hat, auf das von der königlich preufsifchen Staatsforft-Verwaltung ausgeftellt gewefene Modell des Jofef Mai t re ’fchen Dampfentrindungs-Apparates und auf die Proben von mit demfelben gewonnenen Rinden und insbefondere auf die beigegebene Brochure des Profeffors Dr. C. Neub au er in Wiesbaden aufmerkfam zu machen. Bereits auf der Parifer Weltausftellung war der Mai tre’fche Apparat ausge ftellt und erregte gerechtes Auffehen, jedoch in fehl* verfchiedener Richtung. Während die Einen darin eine complete Umwälzung des bisherigen Schälverfahrens erblickten, hielten Andere die Erfindung für reinen Schwindel. In richtiger Würdigung der Wichtigkeit der Sache liefs die königlich prcufsifche Regierung zu Wiesbaden eine genaue Prüfung derfelben anftellen, deren Ergebnifs das erwähnte Werk ift. Es heifst: Die Schälung von Eichenrinden zu jeder Jahreszeit, vermitteln Dampf nach dem Syftem von J. Mai tre. Im Aufträge der königlich preufsifchen Regierung zu Wiesbaden forfttechnifch, chemifch und durch Gerbverfuche geprüft von Dr. C. Neubauer, Profeffor in Wiesbaden, W. Wohmann, kaiferlicher Forftmeifter zu Metz und C. A. Lotichius, Lederfabrikanten zu St. Goarshaufen am Rhein. Wiesbaden C. W. Kreidl’s Verlag. Die Refultäte diefer Unterfuchungen , welche namentlich bezüglich der chemifchen Unterfuchungv viel Intereffantes und Neues bieten, ftellen feft, dafs 1. die chemifchen und praktifchen Refultate bezüglich des Gerbeftoff- Gehaltes der Eichenrinden (ich in Uebereinftimmung befinden, dafs nämlich die Qualität des Leders dem durch chemifche Unterfuchungen feftgeftellten Gerbeftoff- Gehalte der Rinden entfpricht; 2. der Gerbftoff-Gehalt diefer Rinden während der verfchiedenen Jahres zeiten keinen fo erheblichen Schwankungen unterliegt, dafs diefelben bei der Lederfabrication in die Wagfchale fallen; 3. der Gerbftoff-Gehalt durch das Schälbarmachen der Rinde durch Dampf nach den chemifchen Unterfuchungen fowohl als nach den Gerbverfuchen, nament lich auch von dem im Winter gefällten und im darauffolgenden Frühjahre gefchälten Holze, keine Einbufse erleidet; fomit 4. die Dampf-Schälmethode nach diefen Richtungen hin für die Leder fabrication keinen Bedenken unterliegen kann. Die mit Dampf gefchälten Rinden gegerbten, mit ausgeftellten Leder waren fehr fchön gegerbt.
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