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Volltext: Monatszeitschrift XIII (1910 / Heft 8 und 9)

unmittelbare Studienmaterial sind wir heute noch fast ausschließlich auf 
diejenigen Stoffreste angewiesen, die sich, zum großen Teil als Hüllen aus 
dem Orient eingeführter Reliquien, seit alters in europäischem Besitze vor- 
linden und zum Teil auch bis zu einem gewissen Grade datieren lassen, sofern 
sie eben mit historisch bekannten Personen oder Ereignissen sicher zu- 
sammenhängen oder unmittelbare Datierung tragen. 
So stammen auch die in der Ausstellung vorhandenen mittelalterlichen 
Arbeiten des Orients und des byzantinischen Reiches, das in seiner spä- 
teren Zeit teilweise selbst unter rein orientalischen Kultureinfluß geriet, 
zum großen Teil aus Kirchen, wie Sankt Ursula in Köln, Kloster Siegburg, 
Sankt Walburg in Eichstädt, aus dem Besitze des Domkapitels in Passau, 
aus der Marienkirche in Danzig oder aus Museen und Privatsammlungen, 
die sie mittelbar oder unmittelbar aus Kirchen erworben haben. Es ist, wie 
angedeutet, manchmal kaum möglich, Byzantinisches von eigentlich Orien- 
talischem zu scheiden; denn die Beziehungen sind gegenseitig. Wenn einige 
Stoffe nicht griechische Webeinschriften hätten, so läge wirklich kein zwin- 
gender Grund vor, sie aus den übrigen orientalischen herauszuheben. 
Der Umstand, daß sich diese Stoffreste großenteils in ganz fester Hand 
befinden und nicht mit Unrecht auch sehr fest gehalten werden, erklärt es 
allerdings, daß hier nur wenige Stichproben geboten werden konnten. 
Im allgemeinen herrscht bis in das XII. Jahrhundert strenge Stilisierung 
und Symmetrie in PHanzen- und Tierdarstellungen und als I-Iauptgliederung 
meist noch die Kreisform, die höchstens nach oben oder nach oben und 
unten zugespitzt wird. Auch entwickelt sich das Geometrische wohl schon 
frühzeitig reicher. 
Ein Teil der kostbarsten Arbeiten ist auch noch in tapisserieartiger 
Technik ausgeführt; besonders scheint dies von ägyptischen und sizilischen 
Arbeiten des XI. bis XII. Jahrhunderts, zum Teile mit reicher Goldverwendung, 
zu gelten. Einige Stickereien ähnlicher Art sind wohl europäisches Erzeugnis 
unter orientalischem Einiiusse; so ein kleines Stück aus dem Besitze des 
Passauer Domkapitels, das dem berühmten „Gösser Ornate" des Öster- 
reichischen Museums zu vergleichen wäre. Gleicher Herkunft sind wohl 
auch einige Tapisseriearbeiten, wie der Wandbehang aus dem Germanischen 
Museum. 
Es ist begreiflich, daß man die kostbaren orientalischen Arbeiten in 
Europa auch nachzuahmen sucht; in Sizilien und Süditalien kann ja früh 
ein Übergang gefunden werden. Doch ist die Textilindustrie Siziliens noch 
unter den christlichen Normannenfürsten großenteils in den Händen von 
Mohammedanern. Immerhin schreitet der Seidenbau in Italien, besonders 
vom XIII. Jahrhundert an, nordwärts und außerdem können die großen 
Handelsplätze, meist am oder nicht fern vom Meere, zunächst auch mit 
weiterher eingeführter Seide arbeiten. Im Norden Europas war dies aber 
schwer; immerhin glaubt man, eine bestimmte Art von Halbseidenstoffen als 
Regensburger Erzeugnis des XII. bis XIII. Jahrhunderts ansehen zu können. 
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