Beim mohammedanischen Buchschmuck hat man vier einzelne Tech-
niken zu unterscheiden, die ihm seine künstlerische Bedeutung geben: die
Kalligraphie, die ornamentale Verzierung, die eigentliche Bildminiatur und
die Einbandkunst.
Für den Orientalen war, abgesehen vorn Inhalt, die Qualität der Schrift
in der Regel der wichtigste Anhaltspunkt für die Bewertung eines Manu-
skripts; für uns ist nicht so sehr die Schönheit des Zuges als vielmehr die
Form des Duktus, insoweit sie zur Datierung und Lokalisierung beitragen
kann, von Interesse. Die älteste Buchstabenform, die „kufische", leitet ihren
Namen von Kufa in Mesopotamien ab, einem der frühesten kulturellen und
religiösen Zentren des Islam, obwohl der Ursprung dieser Schriftart in Wirk-
lichkeit noch in vormohammedanische Zeit fällt. Das Material kuFischer Hand-
schriften, die fast ausnahmslos Abschnitte aus dem Koran enthalten und nur
fragmentarisch auf uns gekommen sind, ist regelmäßigPergament und die große
Mehrzahl von ihnen ist ägyptischer Herkunft, wenn auch viele erst aus Meso-
potamien und Syrien dorthin gelangt sein mögen. Ein großer Kodex aus der
herzoglichen Bibliothek in Gotha zeigt diesen patriarchalischenDuktus in seiner
einfachsten Form, während in einigen Blättern der Sammlung Martin bereits
die stilistischen Verfeinerungen zum Ausdruck gelangen, deren er fähig war.
Etwa seit dem IX. bis X. Jahrhundert hat dann das „Naskhi", die
knappe, runde Kurrentschrift, die neben der steifen kulischen schon sehr früh
vorkommt, allgemein Anwendung gefunden; es ist in den Ländern des mitt-
leren Islam seitdem vorherrschend geblieben und hat sich auch in der
neuesten Zeit als Type für den arabischen Buchdruck überall durchgesetzt.
Eigentliche Veränderungen haben die Charaktere des Naskhi im Laufe der
Jahrhunderte nicht erfahren, wohl aber wurden sie verschiedentlich in orna-
mentalem Sinne ausgebildet. Wo man eine der Kufik nahekommende lapidare
Wirkung erzielen wollte, bevorzugte man die größte Form, das „Tumar",
das für die Mamelukenzeit bezeichnend ist. Zwei Prunkkorane, der eine, von
dem Ilkhaniden Khodabende Khan 1306 für sein Mausoleum in Sultanieh ge-
stiftet, aus der Stadtbibliothek in Leipzig, der andere aus der königlichen
Bibliothek in Dresden, bieten davon vorzügliche Beispiele. Im übrigen wurde
der Koran mit Vorliebe im „Tsuluts" kopiert, das ebenfalls nur eine größere
Nuance des Naskhi ist und gewöhnlich den Prüfstein für kalligraphische
Leistungen bildete; es war in allen mohammedanischen Ländern gebräuchlich.
Daneben wurden Titelköpfe, Surenüberschriften und dergleichen bis in die
neueste Zeit häufig in kuf-isierenden, oft außerordentlich verschnörkelten
Zügen gegeben. Das bemerkenswerteste unter den in Tsuluts ausgeführten
Manuskripten der Ausstellung dürfte eine kleine, vollständig in Gold ge-
schriebene Sammlung von Gebeten für die einzelnen Wochentage, aus dem
Besitze von Dr. Martin, sein, 1486 datiert und in Persien entstanden, leider ohne
Namensangabe des Künstlers.
In Nordafrika und Spanien bildete sich der „maghrebinische" (abend-
ländische) Duktus aus, der gewissermaßen eine Mittelstellung zwischen dem