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GE. XXI. DIE NATIONALE HAUSINDUSTRIE.
durch Prämien oder Medaillen, theils durch
Ausstellungen, welche bald das ganze Reich,
bald gewisse Län oder Landestheile um
fassen, theils durch die Erleichterung des
Absatzes der Produkte des Hausfleisses. In
der letzterwähnten Hinsicht haben die Haus
haltungsgesellschaften zu der in Stockholm
unter der Benennung des Schwedischen
Industrie-Magazines angeordneten permanen
ten Ausstellung der Industrie- und Gewerbe
produktionen Beiträge gegeben. Dergleichen
permanente Ausstellungslokale, wenn auch
kleinere, giebt es auch in anderen Theilen
des Landes.
Unter allen häuslichen Gewerben nimmt
immer noch die Weberei den wichtigsten
Platz ein, wenn auch jetzt der Bauer nicht
mehr, wie früher in mehren Landestheilen,
beinahe nur die Kleider trägt, welche seine
Frau verfertigt hat. Diese Weberei hat ihren
Hauptsitz in dem Län Elfsborg. Wir ha
ben schon gesehen (S. 79), dass es in die
sen Gegenden Personen giebt, welche Ver
leger für Tausende von Weberinnen sind,
die sich zu Hause mit der Weberei, beson
ders von Baumwolle, beschäftigen. In Än-
germanland wird feine Leinwand, sowohl
schlichte als auch fafonnirte (Drillich zu
Tischtüchern) gewebt. In Halland, in Ving-
äker (in Södermanland) u. a. m. werden
von den Bäuerinnen wollene u. a. Gewebe
zubereitet. Gleichwohl muss daran erin
nert werden, dass hier und an vielen an
dern Orten die Weberei eine Quelle des
Einkommens und daher für den Absatz be
rechnet ist; aber der Webereifleiss wird an
ausserordentlich vielen andern Orten (in
Schweden ausschliesslich von dem weibli
chen Geschlechte) ausgeübt, wo die Zube
reitung einzig und allein für den eigenen
Verbrauch berechnet ist.
Ueber diese und andere weibliche Be
schäftigungen, wie Spitzenklöppelei, Haar
arbeiten, Strohflechten, siehe unten: An
hang zu Gr. 26 (Frauenarbeiten).
Unter den männlichen Beschäftigungen
können erwähnt werden: Schmiede- und
Tischlerarbeiten aller Art, sodass in den ver
schiedenen Landestheilen Nägel, Stifte, Huf
eisen, Pflüge, Sensen, Äxte, Messer, Ge
wehre, Schlösser, Karden, messingene Dosen,
Stecknadeln u. a. m. »ubereitet werden, so
wie auch Dreschwerke, Fuhrwerke, Dauben
fässer, Webschiffe und Möbeln (z. B. in
Väla in Vestmanland und Lindome im
Län Göteborg, s. Gr. 8). Hierher gehört
auch die Anfertigung von Korb- und Stroh
arbeiten, von Schuhzeug (zum Verkauf),
Lederbereitung u. a. m.
Der Bootbau ist in gewissen Gegenden
ein stark betriebenes Gewerbe. Die in Orust
und Tjörn in Bohuslän gebauten Boote sind
sehr gesucht, eben so die sog. Schnieken
von Westerbotten.
Die starke Entwickelung der Hausin
dustrie^ in gewissen Gegenden in Verein
mit den damals geltenden strengeren An
sichten über die Handelsfreiheit rief eine
eigene Art des Handels ins Leben, näm
lich den Hausierhandel, welcher jedoch mit
den in den letzten Zeiten entstandenen freien
Handelsgerechtsamen und besonders mit den
dadurch auch auf dem platten Lande ge
statteten Kaufläden jetzt grösstentheils ver
schwunden ist. Dennoch kommt es auch
noch als ein Ueberbleibsel dieses Hausier
handels vor, dass Vestgöten und Smälän-
der im Reiche umherwandern und die zu
Hause-gewebten baumwollenen oder wolle
nen Zeuge zum Verkauf ausbieten, oder
dass man einen Dalekarlier (schwedisch Dal-
karl, d. i. Thalkerl, ein Mann aus Da-
larne) in weiter Ferne von seiner Hei-
math antrifft, in der Absicht seine grossen
und starken Wanduhren abzusetzen, oder
dass eine Dalekarlierin ihre magere Hei-
matb verlässt und mit ihren Arbeiten von
Menschen- und Pferdehaaren nicht nur
ihr ganzes grosses Vaterland durchstreift,
sondern sogar ihre Wanderungen bis in die
Nachbarländer, Dänemark und Norwegen,!
ja bisweilen bis nach Deutschland und noch
weiter ausdehnt.
GR. XXII. DIE WIRKSAMKEIT DER MUSEEN FÜR KUNSTGEWERBE.
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Gruppe XXII.
Darstellung der Wirksamkeit der Museen für Kunstgewerbe.
Als die Sammlungen in dem früheren
Königl. Museum so anzuwachsen begannen,
dass für dieselben ein neues Lokal bereitet
werden musste, so wurde in den Jahren
1845—1863 in Stockholm das jetzige Na-
tional-Museum für eine Staatsausgabe von
2,246,000 ß:dr aufgeführt. Nach einer
königlichen Vorschrift über die Aufsicht
und die Verwaltung der in diesem Museum
aufbewahften Kunstsammlungen zerfallen
diese in drei Hauptgruppen, nämlich
A. Sammlungen, die der Bildhauerkunst
angehören;
B. Sammlungen, die der Malerkunst an
gehören ;
C. Sammlungen von Kunstgegenständen,
die sich den beiden zuvor erwähnten
Kunstformen anschliessen:
a. Keramische Arbeiten (Vasen, Por
zellane u. a.) und Glas,
b. Toreutische Arbeiten (in Holz, Stein,
Elfenbein u. a.),
c. Mosaike, Emails, Lackimngen u. a.,
sodass also die letzterwähnte Gruppe C.
das Museum des Staates für Kunstgewerbe
bildet.
Da inzwischen das National-Museum dem
Publicum nicht früher als i. J. 1866 ge
öffnet und die oben erwähnte Vorschrift
ersf i. J. 1868 gegeben wurde, so ist es
natürlich, dass die vergleichsweise kurze
Zeit, welche seitdem verflossen, hauptsäch
lich zum Ordnen und zur Erweiterung der
zu den Gruppen A. und B. gehörenden
Sammlungen verwendet worden ist. Erst
in dem letzten Jahre (1872) hat die letzte
Gruppe C. eine bedeutendere Vermehrung
erhalten durch die von dem verstorbenen
Könige Carl XV durch ein Tastament an
den Staat übergegangene höchst werthreiche
Sammlung von kunstgewerblichen Gegen
ständen. Inzwischen hat die Kunstabthei
lung des National-Museums sich eines mit
jedem Tage steigenden Interesses vonseiten
des Publikums zu erfreuen gehabt, welches
sich theils durch die grosse Anzahl der
Geschenke von einzelnen Personen und theils
durch die zahlreichen Besuche an den Tag
gelegt hat. So ist das Museum während
des letzten Jahres (1872) von 135,099
Personen besucht worden, von denen die
höchste Anzahl an einem Eintrittstage ohne
Abgabe 3,260 Personen und an einem Tage,
da Eintrittsgeld erlegt wurde, 124 Perso
nen betragen hat. In den vorhergehenden
Jahren hat die Zahl der Besuchenden durch
schnittlich 85,000 betragen. Die schnelle
Zunahme in dem letzten Jahre hat zum
Theil in zufälligen Ursachen ihren Grund
gehabt.
Wenn also auch das National-Museum
nicht unmittelbar zur Hebung und Beför
derung der Kunstgewerbe gewirkt hat, so
lässt sich doch mit Sicherheit behaupten,
dass die vermehrte Kenntniss der Werke
der bildenden Kunst und das Interesse für
dieselben die Anforderungen des Publikums
an die Produkte der Kunstgewerbe erhöht
und dadurch belebend auf dem Gebiete des
selben gewirkt hat.
Auf eine unmittelbarere Weise will der
schwedische Gewerbe-Verein in Stockholm
dieselbe Sache zu befördern suchen. Dieser
unter dem Schutze des Königes stehende
Verein, dessen Hauptaufgabe es ist, die
Entwickelung der schwedischen Industrie
im Allgemeinen zu fördern, hat im vorigen
Jahre zu einem Kunst-Industrie-Museum in
der Hauptstadt den Grund gelegt, dessen
Zweck ist, die schwedische Industrie da
durch zu heben, dass es den Industriellen
schöne, charakteristische und zweckmässige
Kunstprodukte von verschiedenen Zeiten im
Original oder in Copien und Abbildungen
als Muster zugänglich macht. Die Gegen
stände werden theils durch Kauf und Tausch,
theils durch Geschenke und endlich durch
Depositionen auf längere und kürzere Zeit
angeschafft, und demnächst will das Mu
seum den einheimischen Industriellen Ge
legenheit verschaffen, hervorrangendere Ar
beiten auszustellen, ohne dass diese gleich
wohl an Ort und Stelle verkauft werden
dürfen. Das Museum mit den darin be
findlichen Gegenständen soll so zugänglich
wie möglich gehalten werden, nur mit den
Einschränkungen, welche die Aufbewahrung
und die Sicherheit der Gegenstände vor
schreiben. Demnächst werden veranstaltet:
die Ausarbeitung von ausführlichen, be-