sind fein charakterisiert, gut gelungen ist auch das Kind. Ein Figurenbild voll
düsterer Stimmung, das eine Phantasie und Tiefe der Empfindung zeigte,
wie sie hier wenigen eigen ist, war Tanners Gemälde „Heimkehr der heiligen
Frauen". Zu den bedeutendsten Figurenbildern der Ausstellung gehörte Robert
Mac Camerons „Heimkehr der Tochter". Ein reuiges Weib mit Zügen, die
ein schicksalreiches Leben geformt hat, kommt in eleganter Kleidung und
mit juwelengeschmückten Fingern zu den Eltern im einfachen Arbeiterhause
zurück. Diese Art Realistik ist bei unseren Malern selten. Das Gemälde ist
dunkel gehalten und flott gemalt.
Erwähnenswert ist, daß der 84jährige George H. Hall, wohl der Senior
der amerikanischen Maler, noch immer Gemälde nach den Ausstellungen
schickt, die sowohl in ihrer Komposition wie hinsichtlich ihrer korrekten
Zeichnung angenehm auffallen. Sie sind in der Technik seiner jugendzeit
gemalt, da man glatt und fein ausführte und auch stets einen bestimmten
Vorgang darstellen wollte, und beweisen, daß man auch damals schon in
Amerika Gutes zu leisten vermochte. Hall war in den fünfziger Jahren
Schüler der Düsseldorfer Akademie.
Auch seine Schülerin Jennie Brownscombe zeigt starke Anklänge an jene
alte Schule. Sie studierte in Paris, ist aber von dem deutsch-amerikanischen
Maler Henry Mosler, der von der Düsseldorfer Art allmählich zur Freilicht-
malerei überging, stark beeinflußt worden. Die Künstlerin hält an der streng
balanzierten Komposition und der akademisch korrekten Zeichnung fest, die
sie mit viel Farbensinn zu vereinigen weiß. Sie malt mit Vorliebe Szenen aus
Washingtons Leben. Als prächtige, kraftvolle Freilichtstudie verdient ein
Bild von Lillian Genth, das sie „]uni" nennt, erwähnt zu werden, ein sonnen-
beschienenes junges Weib in einer Waldlandschaft. Auch einige charakteri-
stische Porträte waren in der Ausstellung zu finden.
Besonders reich war sie aber an guten Landschaftsbildern. Trotz der
entschiedenen Fortschritte, die unsere Figurenmaler endlich aufzuweisen
haben, stehen die Landschafter doch noch immer unbestritten an erster Stelle,
namentlich als Koloristen. Das Stimmungsbild ist vorherrschend. Die Motive
werden nun immer mehr dem eigenen Land entnommen. Die Bilder mit
europäischen Motiven sind heute nicht mehr in der Überzahl. Unsere Künstler
studieren die Eigenart ihrer Heimat und linden manches, das neuartig wirkt.
Ist ja auch in der Tat an charakteristischen Motiven kein Mangel. Außer den
eigenartigen Gebirgen, Tälern, Seen und Strömen haben wir die großen
Prärien, die felsigen Wüsten und nicht als letztes die gewaltigen Wälder-
friedhöfe mit ihren grauschwarzen toten Stämmen, die erstarrt in die Wildnis
hineinragen, von Axt und Feuer verwüstete Wälder, die viele Meilen über
Berge, Schluchten und Täler sich breiten und phantasievollen, emptindenden
Künstlern packende Motive bieten.
Zu den besten Landschaftsbildern der Ausstellung gehörten die Gemälde
Edward Potthasts. Er ist einer unserer vielseitigsten Künstler. Sehr schön
und charakteristisch war seine „Pennsylvanische Farm", ein Bauernhaus