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Volltext: Monatszeitschrift XIV (1911 / Heft 1)

Liebermann mit seinem Karton zum Gemälde der Judengasse in Amsterdam, eine 
Studie voll Staccato-Rhythmus, an der man studieren kann, wie die Impression Butenden 
Menschengewimmels für die künstlerische Darstellung transponiert wird. Solche Studien, 
an denen sich belehrsam das Filtrieren des Stofflichen beobachten läßt, sind sehr instruktiv 
für die Graphologie eines Künstlers. 
Die Pastelle vomWannseeJQuderboote, Sommergärten, Korbsesselstimmungen haben 
in Ton und Leichtigkeit etwas von Erdenschwere-Gelöstes, etwas Glückhaft-Heiteres der 
seltenen Stunde. 
Corinth bringt ein verbliiiifendes und frappantes Porträt des Frankfurters Dr. Edinger 
am Mikroskop. Käthe Kollwitz gestaltet mit tiefem Ernst, herbwuchtig, ohne Wehleidigkeit, 
ihre Mühseligen und Beladenen, eckige, vorn Elend gezeichnete Mütter mit Augen, die im 
Leiden stumpf und tränenlos geworden. 
Und voll Gewalt ist ein Totentanzbild, auf dem mit zermalmendem Griff der Knochen- 
mann ein Weib packt. 
Schimmer und Hauch liegt über den Pastellen Konrad von Kardorffs, vom Strand und 
den Dünen. Atmosphärisch wirken sie in Farben, die vom Meeresdunst verschleiert sind. 
Und schmeichlerisch wie weiche Luft sind die delikaten Aquarelle Slevogts: blühende 
F rühlingstöne in sprießigem Grün, sanfte, grausilbrige Harmonien, tupfig gesprenkelte 
Landschaftsstilleben. 
Strucks Lagunenradierungen (die mit einem Text von Hofmannsthal bei j. Bard 
erscheinen werden) kann man wahrhaft venezianische Epigramme nennen. Essentiell sind 
sie; sie geben den Stimmungsduft der „schönen Stadt, die nie versagt". In Ahnung und 
Gegenwart verschweben die Filigran-Umrisse der Brücken und Palazzo-Fassaden in 
ihrem juwelierhaften Filigran, und Chioggia-Segel, Kuppeln und Türme werden Zierat, und 
tiefes Dunkel wehen über das Wasser die Zypressen der Toteninsel. 
Vonberühmten ausländischen Gästen stellt sich Hodler mit einer Sonderausstellung 
vonZeichnungen ein, meist Studien zu bekannten Werken, und dadurch besonders anregend. 
Man kann hier die Ausdruckskunst dieses Monumentalen in der ersten Handschrift ver- 
folgen, diese gefühlsstarken Bewegungen, diese inbrünstig erfüllten Haltungen, diese 
natürlichen Feierlichkeiten im Wallen hymnischer Scharen. Wie das Schreiten erster 
Menschen, aus Gottes Hand zwischen Himmel und Erde gestellt, so wirken die Gestalten 
seiner Lebensblätter. Und man empfindet sie alle als Variationen über das Thema Ecce 
homo, doch nicht christianisierend, dem Tode zugewandt, sondern dem heiligen Leben. 
Der Wiener Klimt zeigt andeutungsvolle Akt- und Bildnisstudien, Nuancen von Gesichtern 
und Körpern - ein roter Lippenstrich in blasser Fläche - suggestiv mit sparsamsten 
Mitteln hingesetzt. 
Eine Enttäuschung ist für mich diesmal Munch. Sein dekorativer Entwurf für eine 
Universität: „Die Geschichte" _ sie stellt in blaugrünen Tönen einen alten Weisen mit 
einem Knaben am Meer unter der Weltesche dar - wirkt leer und puppenhaft. 
Dagegen reizen zwei jüngere Franzosen sehr. Bonnard rnit seinen Pariser Croquis in 
Lithographie voll vibrierenden Tempos des Straßenlebens und Maurice Denis, der in 
seinem Zyklus PAmour traumhafte Gebilde, ätherische Frauen unter Parkwipfeln und an 
Fontänen zu artistischen Ornamenten, zu hauchigen Gewebemusterungen stilisiert aus 
chiEonzarten Linien und Farben. t x 
II 
Beim Streifen durch die Säle entdeckt man noch manche reizvolle, bunte Beute. 
Pottner, der Schöpfer lebendiger keramischer Tierskulpturen, zeigt mit seinem Papageien- 
bild und seinen Zeichnungen aus dem Getlügelhof_ dem Reiche Chanteclers - Studien 
von sprühender Augenblicklichkeit. Und Maria Slavonas schlafende Katzen sind knisternd 
streichlerisch. 
Witzige Karikaturen bringt Hans LindloE: d'Alba-t, eine Gebirgslandschaft mit Haar- 
wald und Bartgebüsch und tiefen Augenhöhlen; Oskar Fried mit langgezogenem steilen
	        
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