Spätantikes Gewand aus einem ägyptischen
Grabe. Leinen, Ornament aus brauner Wolle und
weißem Leinenfaden
Wenn wir alles zusammenfassen,
dürfen wir aber wohl sagen, daß die Be-
deutung dieser Funde für uns eher ge-
wachsen ist, als daß sie abgenommen
hätte, und dies sowohl in rein künst-
lerischer als in kunstgeschichtlicher Be-
ziehung. Wir konnten seit Jahren mit
Freude bemerken, wie die ausübenden
künstlerischen Kreise, denen man diese
Arbeiten natürlich immer zugänglich ge-
macht hat, sie mit steigender Teilnahme
betrachteten und daraus sowohl künst-
lerische als technische Anregung zu ziehen
suchten. Jeder, der Gefühl für gesunde
Weiterentwicklung unserer Kunst
hat, wird auch empfinden, wie viele
künstlerische Ideen, die heute zum
Teile noch unbewußt in uns ruhen,
dadurchwachgerufenwerdenkönnen.
Denn bei der Durchforschung
dieser alten Reste werden wir nicht
nur darüber staunen, welche fast über-
wältigende Fülle künstlerischer Ge-
danken da vorhanden ist, wovon
die späteren Jahrhunderte in einer
naturgemäß einseitigen Entwicklung nur
einenkleinenTeilausgeschöpftoderweiter-
entwickelt haben; wir werden beson-
ders durch die vielfach vorhandene Ver-
wandtschaft mit unseren eigenen Bestre-
bungen auf dem Gebiete der Kunst über-
rascht. Wir erhalten auch von der späteren
antiken Kunst und der Entwicklung der
darauffolgenden Jahrhunderte" ein ganz
anderes Bild, als es sich selbst - oder:
gerade - der klassisch Geschulte gemein-
hin zu machen pflegt. Wir sehen, wie nach
einer klaren entschiedenen Richtung, wel-
che die ältere griechische Kunst durch
Jahrhunderte verfolgt hat, in der späten
Antike zahllose Kunstströmungen neben-
einander herlaufen, und haben das Gefühl,
daß Vieles hin- und herschwankt, daß an
die Stelle großer organischer Entwicklung nicht selten sogar das Streben