Sinne aufgefaßt werden: „Planmäßig" heißt für jene Zeit nicht unbedingt
regelmäßig, in genau abgemessenen Abständen und in Parzellen von durch-
aus gleicher Form oder gleichem Flächeninhalt. Bei aller Überlegung für
Verkehrsnotwendigkeiten zum Beispiel verfuhr man weder bei der Bestim-
mung von Straßenzügen noch bei der Bemessung der zu bebauenden Flur-
einteilung in technischer Hinsicht allzu genau. Es verhielt sich damit wie mit
dem Bauen selbst. Die Hauspläne unterlagen keiner allzu ausgeklügelten
Bauordnung, noch waren gesetzliche Bestimmungen über Mauerstärken,
hygienische Maßnahmen und dergleichen in präziser Weise vorhanden.
Offenbar standen jene Zeiten nicht in gleichem Maße unter bureaukratischen
Einflüssen. Letztere wuchsen, indem das wirklich künstlerische Moment
ein Decrescendo erfuhr. Die Art der Bauausführung stützte sich auf eine
allmählich sich vervollkommnende handwerkliche Tradition. Daher denn bei
Bauten dieser Zeit der rechte Winkel bloß angestrebt wird, in Wirklichkeit
aber im Grund- wie Aufriß selten zu finden ist. Diese Unregelmäßigkeiten
gaben bei großen Anlagen, zum Beispiel bei Kirchen, für die Untersuchung
späterer Zeiten oft Veranlassung zu den seltsamsten Hypothesen, während
sie doch weiter nichts waren als die Nachwirkung einer Zeit, eines Entwick-
lungsstadiums, wo Bauherr, Baumeister, Bauhandwerker ein und dieselbe
Person, unterstützt von Nachbarn, war. Die „zünftige" Bauausführung reicht
vielfach, besonders aufdemLande,
also auch in werdenden Städten,
nicht ins frühe Mittelalter zurück.
Ebenso verhielt es sich mit „plan-
mäßigen" Stadtanlagen. Der von
820 datierende, durchaus syste-
matisch bearbeitete Klosterplan
von Sankt Gallen fußt auf impor-
tierten Einflüssen, sofern er nicht
selbst importiert ist, und hat mit
einem römischen Castrum weit
mehr Ähnlichkeit als mit einer
deutschen Stadt, deren es damals
überhaupt noch keine gab, außer
auf den Trümmern römischer
Unterlagen. „Planmäßig" heißt
im vorliegenden Falle so viel wie
„nach einem Grundgedanken in
einer gewissen Regelmäßigkeit
angeordnet" im Gegensatz zum
„Gewachsenen", zur Stadtbil-
dung, die entweder noch die Merk-
male dörflichen Ursprungs zeigt
Abb. 55. Lüneburg, Renajssancegiebel, Ochsenmarkl l Ode!" das PTOdI-lkt eines