43'!
Wie für die geschichtliche
Bedeutung eines Gemeinwesens
nicht die hervorragenden Leistun-
gen Vereinzelter allein, sondern
der Geist der Gesamtheit ein klares
Bild der kulturellen Physiognomie
abgibt, so kommt im architek-
tonischen Stadtbilde, da wenig-
stens, wo der erwerbslustige,
unternehmende Bürgergeist das
führende Element in der städti-
schen Entwicklung bildet, der
bauliche Gesamtcharakter stärker
in Betracht als der vereinzelte
Monumentalbau. Letzterer ist der
höchste Ausläufer der baulichen
Gesinnung überhaupt.
Lüneburg gibt mit seinem
heutigen Bestande an Monumen-
talbauten keinen vollen Begriff
mehr von dem, was in der Blüte-
zeit zum Beispiel die Kirchenbau-
kunst daselbst zu bedeuten hatte.
Abb. 42. Lüneburg, „Der rote Hahn", Fachwerkbau des Mancherlei ist verschwun-
xvr. Jahrhunderts den- nicht infolge von Krieg oder
_ Naturereignis. Anderes, wie zum
Beispiel die als Baumasse imponierend wirkende Michaelskirche, ist ihrer
ursprünglichen inneren Erscheinung völlig entkleidet und zeigt nur mehr, wie
weit sich die Ansprüche zu reduzieren vermögen auf dem gleichen Boden,
der von künstlerischen Leistungen recht eigentlich durchtränkt war. Einige
ganz wenige Überbleibsel tun dar, daß schon vor der Renaissancezeit tüchtige
Bildhauer am Platze tätig waren (Abb. 48). Das kleine Relief aus der Johannis-
kirche läßt auf vorzügliche Plastiker schließen. Man fand es vor einigen Jahren
in altem Bauschutt. Über die Johanniskirche selbst später ein Wort. Trotz
arger Vernachlässigung während langer Zeit, trotz manchem Eingriff in den
ursprünglichen Bestand ist das Rathaus, hauptsächlich in seinen Innen-
räumen, noch immer ein Zeuge glanzvoller Tage. Das früher geradezu ver-
wahrloste Archiv ist, abgesehen von seiner großen Reichhaltigkeit an äußerst
wertvollen Dokumenten, auch in seiner räumlichen Erscheinung von Wichtig-
keit. In ihm ist die vollständige Einrichtung eines mittelalterlichen Amts-
raumes erhalten geblieben (Abb. 56 und 57). Von größerer allgemeiner
Bedeutung als diese immerhin sehr wertvollen Reste, denen eine lange Periode
von Gleichgültigkeit gegen das Alte bös zugesetzt hat, ist der heute noch
immer beträchtliche Bestand an Profanbauten. Es sind stattliche Bürger-