die I-Iäuser einfachen Reizes voll. Wes
Geistes die damaligen Lüneburger waren,
beweisen ein paar bronzene Erinnerungs-
tafeln mit Zitaten aus Euripides und Thuky-
dides. - Blendarkaden kommen selbst bei
Arbeiterreihenhäusern vor (Abb. 39, Kaland-
Straße). Aus alledem erhellt jedenfalls eines:
daß es eine Zeit gab, wo die Bauten des
gesamten Stadtgebietes durchweg, selbst bei
Kleinwohnungsbauten, den Stempel künst-
lerischen Wollens, behäbigsten Daseins
verraten. Das triHt selbst für die ehemaligen
Stallungen und Arbeiterhäuser des „Vis-
kulenhofes" zu. Eine besondere Gruppe -
sie braucht hier keiner eingehenden Behand-
lung unterzogen zu werden - bilden die
Backsteinbauten des XVIII. jahrhunderts.
In völliger Verkennung des Materials ahmen
sie den Quaderbau italienischer Vorbilder
aus palladianischer Zeit, nicht ohne Geschick,
nach. Im Grundrisse zeigen sie völlig andere
Dispositionen als die alten Bürgerhäuser. - Nach Zahl und Qualität der
Arbeiten bilden die Fachwerkbauten (Abb. 41 bis 47) eine bedeutende Gruppe,
deren älteste - die meisten sind datiert - bis in den Anfang des XVI. Jahr-
hunderts zurückreichen, in Ornament und Protilierungen vielfach gotische
Motive noch lange bewahren. Die Blütezeit dieser Bauweise fallt zusammen
mit der Glanzperiode der Steinbauten. Gewöhnlich ist das Untergeschoß in
solidem Mauerwerk aufgeführt. Die darüber auskragenden oberen Holz-
konstruktionsteile boten in Konsolen, Fußbändem, Schwellen und so weiter
dem handwerklichen, mit derben Ornamentformen wohl vertrauten Künstler
reichliche Gelegenheit, den von ihm beherrschten Formenschatz zur Geltung
zu bringen. Die in verschiedenen Schichtungsweisen ausgemauerten und
sauber verfugten Zwischenräume tragen nicht wenig zur schmucken
Erscheinung bei. In nicht geringer günstigem Lichte zeigt sich die Kunst
des Zimmermanns bei den verschiedenartigen Dachaufbauten. Vorzügliche
Beispiele von Fachwerkbau bilden die an der Ilmenau gelegene Rats- und
die Lüner Mühle.
Wie Fremdlinge erscheinen _ zwischen all diesen bodenständigen
Architekturen Gebilde wie das im letzten Drittel des XVI. Jahrhunderts
von Peter Boige erbaute jetzige Hauptsteueramt, ein an sich nicht
Abb. 6x. Rathaus zu Lüneburg, Schloß und
Türgriff an der Türe zum Filrstensaal
uninteressanter Renaissancebau mit regelmäßigen Säulenstellungen, deren '
Werkstücke in Hamburg gefertigt und per Schiff nach Lüneburg ge-
bracht wurden. In noch höherem Maße befrerndend wirkt dasan Stelle
eines älteren Baues, der bis ins XV. Jahrhundert die Bezeichnung „Herings-