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Daß der beschützende Berg ursprünglich ein Heiligtum und Kloster,
dem Erzengel Michael geweiht, trug, wurde anfangs schon erwähnt. Als dieses
Heiligtum, von Herzog Magnus in eine die Stadt bedräuende Position um-
gewandelt, kriegsmäßig armiert worden war, fiel es dem gleichen Schicksal
anheim wie das von den Bürgern genommene Schloß, nur wurde es nicht
wie dieses sofort zerstört, sondern erst abgetragen, nachdem den Mönchen
ein neuer Bauplatz in der Stadt angewiesen worden war, der gleiche, auf dem
die heutige, als Totalerscheinung
höchst imposante Michaels-
kirche steht. Das Kloster wurde
Ende des XVII. Jahrhunderts ab-
gebrochen. Seltsamerweise be-
stand es als protestantisches Män-
nerkloster bis über den Dreißig-
jährigen Krieg hinaus. Das Ende
des XVIII. Jahrhunderts räumte
mit allen noch übrig gebliebenen
Resten früherer Zeit vollends auf,
so daß dem durch seine etwas er-
höhte Lage sehr wirksamen Bau,
einer dreischifl-igen Hallenanlage
mit polygonal geschlossenem,
beidseitig von Kapellenbauten
flankiertem Chor, Unterkirche
und der Westseite vorgelagertem
mächtigen Turm innen jede be-
lebende Beigabe außer einer reich
dekorierten Barockkanzel fehlt.
Das XIX. Jahrhundert entstellte
ihn durch Einbauten von Emporen
weiter. Abbildung 49 gibt eines
der wenigen wertvollen Über-
bleibsel früherer Zeit. Es stammt
noch aus einer Periode, da der Abt zu Sankt Michael „Dei gratia" war, die
Spitze des gesamten Lüneburgischen Klerus bildete, der Prälatenstand dem
Stande der Ritter und der Städte voraufging, Vorsitz und Leitung der Ver-
sammlungen der Stände innehatte. Der Grabstein stellt den ersten lutherischen
Abt des Stiftes, Herbert von I-Iolle, dar und wird Albrecht von Soest zuge-
schrieben. Die Grabmalkunst spielt in Lüneburg wie in manchen andern
Städten des deutschen Nordens eine äußerst bedeutsame Rolle. Epitaphien
von großem Umfange und künstlerischer Bedeutung zu errichten, war offen-
bar ein allgemeines Bedürfnis geworden, nachdem sich der kirchliche Sinn der
wohlhabenden Bevölkerung nicht mehr an der Stiftung von Altären, köstlichen
liturgischen Gewändern, farbigem Schmucke der Fenster und so weiter zu
Abb. 72. Rathaus zu Lüneburg, Türe in der „Neuen Rats-
stuhe" mit Schnitzereien von A. von Soest