Kulturkuriositäten fesseln. So das Bild der Maria Taglioni als Sylphide, 1839 gemalt
von F. W. Herdt. In einer süßen Oblatenmanier, im Feeriestil.
Taglioni-Bilder von Franz Krüger ergänzen die Sylphide: Paul und Amalie und deren
Tochter Auguste, von sprechender Natürlichkeit.
Großen Raum nehmen die zeichnenden Künste ein. Schwinds Entwürfe zu den
Wandbildern auf der Wartburg sind mit ihrem Rankenwerk auf Goldgrund lieblich
miniaturhaft. Genellis Akte zwingen durch sparsame Umrisse plastische Körperlichkeit in
die Erscheinung.
Charakteristisch sind die Klassizisten vertreten. Philipp l-Iackert spiegelt das Rom,
wie es Goethe und Stendhal gesehn. Seine römischen Spaziergänge erschienen jetzt in
einer schönen Ausgabe bei Eugen Diederichs. Kolosseum und Konstantinsbogen malt er mit
bewegten, ein wenig bühnenmäßig gestellten Kostiimgruppen. In Josef Anton Kochs
arkadischen Bildern vergnügt das gewissebürgerlich-spießig Harmlose, vergleichbar der
deutsch-anakreontischen Dichtung, die thüringisch-sächsische Heimatskunstgelilde mit
Nymphen bevölkerte und Dünnbier als Ambrosia empfand.
DieVersteigerung der SammlungLanna gab Gelegenheit, wertvolle ältere Zeichnungen,
vor allem österreichischer Künstler, zu erwerben. So haben wir jetzt Fügers Entwurf zum
Burgtheatervorhang mit Apoll und den Musen, Rudolf von Alts Budapester Rathaus mit
dem Platz voll zierlich farbigen Gewimmels in huschiger Grazie, Kleins Blick auf Wien,
1813, und Leybolds Jägerzeile, sauber nüchtern, hölzern spielzeughaft und doch anmutig in
altmodischer Einfalt aufgebaut.
Überraschend ist dann noch die Kollektion Dahl (182o-x83o). Kleinskizzen aus
Dresden, von der Elbe, der Augustusbrücke, Wolkenstudien mit dem Dresdner Schloßturm ,
Stimmungen vom Neapler Golf. Das alles ganz unstoiflich, atmosphärisch impressionistisch,
etwa wie Monet die Themse in ihren Temperamentsvariationen belauscht und festhält
oder Turner die Phantome der Luft.
Liebenswürdige Drolerien sind Spitzwegs Schusterjunge, der dem madamigen Mops
-einen Tritt gibt, und die allerliebste Federzeichnung Schadows: der Wetterbeobachter,
mit sparsamen Strichen der possierliche Umriß eines Gevatters, auf den Familienregen-
schirm gestützt, mit spitziger Nase daher schnuppemd.
Die Sensation der Ausstellung aber bleibt für mich das Kabinett mit den Blättern von
Johann Heinrich Füßli. Dr. Kesbach erwarb sie in London, und Freiherr von Merling
schenkte sie. Die Landeskunstkommission mag sich vor dieser infernalischen Stiftung
bekreuzigt haben.
F üßli, der Züricher (1742 geboren), kam früh nach England, wurde 1804 Präsident
der Londoner Kunstakademie. Er starb 18:5. In seinem zeichnerischen Werk ist Rops,
Beardsley, Konstantin Guys, lange bevor diese Künstler in die Erscheinung traten. Seine
Frauentypen sind voll Dämonie, kapriziös, Heurs du mal. Ihr Gliederspiel, das Schlangen-
hafte, das Artifizielleider Hüte, Frisuren, der Wickelgewänder macht sie unheimlich modern.
Seltsame Mischung gibt das verwirrende Blatt, auf dem die Frau im Faltenspiel des Mantels
(man fühlt darunter ihre Nacktheit) mit dem kaltstarren und doch vampyrisch-lechzenden
Mund und Augen vereinigt ist mit einem männlichen Akt, der auf den Händen steht.
Die sitzende schlafende Frau in Weiß mit der rhythmischen Gliederkurve, hell
schwimmend mit den schwarzen Farbflecken der Locken, träurnend entmaterialisiert, läßt
an Femand Khnopifs Visionen denken.
Der ovale Frauenkopf mit den grell scharfen Zügen, dem exzentrisch babylonischen
Kopfputz spukt in seiner lasterhaften beaute du diable den Walpurgisgesichten des
Felicien Rops vor.
Tänzerinnenszenen lassen Desgaz ahnen. Und die junge Dame mit dem Chien-
gesicht, dem Tellerhut, den Pudellocken darunter, den rosigen Schminktupfen auf den
kreidigen Wangen atmet das Parfüm der Mondäne des zweiten Kaiserreiches, wie sie die
so viel spätere Chronik des Konstantin Guys prickelnd überliefert.