Worte „fundes paulatim in marmore". Diese Stelle kann nur die Herstellung
des „Zains" betreffen. Das Gold wird in einen Einguß aus Marmor gegossen.
Wie aber sah dieser Einguß aus? War es ein offener Zaineinguß, wie er seit
Jahrhunderten in der Goldschlägerei üblich ist und wie ihn beispielsweise
Abbildung 1 in Teil a zeigt? Oder war es eine geschlossene zweiteilige Stein-
form, wie sie der „Messingbrenner" zu des schon genannten Weigels Zeiten
und später noch zum Gießen der Messingtafeln, dem Ausgangswerkstück
des Rauschgoldes und seines Endproduktes, des (unechten) Schaumgoldes,
benutzte? Darüber wird kaum absolute Klarheit zu schaffen sein. Man geht
aber wohl nicht fehl, wenn man sich den Marmoreinguß als offenen Zaineinguß
denkt. So wäre auch das „fundes paulatim" erklärt, das zu vorsichtigem
Gießen mahnt und beim offenen Zaineinguß jedenfalls mehr Berechtigung
hat als bei der geschlossenen Fonn.
Erwähnt wird das Blattgold auch in der in das Ende des X.]ahrhunderts
zu datierenden Abhandlung des Heraclius"', ohne daß jedoch die Kunst der
Goldschlägerei selbst geschildert wird.
DIE BLATTGOLDHERSTELLUNG ZU THEOPHILUS ZEIT.
Einen umso wichtigeren Beleg für die Weiterentwicklungider mittel-
alterlichen Goldschlägerkunst bildet die dem XII. jahrhundert zugeschriebene
Handschrift „Theophili presbyteri diversarum artium schedula", welche
Lessing" während seiner Tätigkeit als Bibliothekar in Wolfenbüttel zum
erstenmal in Druck erscheinen ließ und auf welche Beckmann""'"" als erster
Technologe und später VogelT hinwies.
Ihr Verfasser ist eine heißumstrittene Persönlichkeit. Christian Leiste,
der an Stelle des 1781 verstorbenen Lessing der Handschrift ein Vorwort
mitgab, schwankt, ob sie tatsächlich dem Presbyter Theophilus oder etwa
dem im IX. Jahrhundert nach Christi lebenden, durch seine Kunstfertigkeit
berühmten Tutilo von Sankt Gallen zuzuschreiben sei. Aber schon Beckmann
sagt: „der teutsche Mönch Theophilus, dessen eigentlicher Name Rüger
gewesen zu seyn scheint, der . . . nach Morelli Meynung im zwölften Jahr-
hundert gelebt ha ". Gleichfalls lebhaft bestritten wird Leistes Ansicht von
Charles de PEScaIQpierJ-T welcher die Handschrift sehr ausführlich besprochen
hat. Mit besonderem Interesse ist auch Albert IlgH-T der Persönlichkeit des
gewerbekundigen Mönchs nachgegangen. Ihm gilt er - ein Anklang an Beck-
mann - als ein „Rugerus" genannter Insasse des Klosters I-Ielmarshausen
an der Diemelj- das unter Bischof Meinwerks von Paderborn kunstfördem-
1' Heraclius, De coloribus et artibus Romanorum. (Urn 994 nach Christi.) Herausgegeben von Albert
llg, Wien 1873.
'"' Gonhold Ephraim Lessing, Zur Geschichte der Literatur. Aus den Schätzen der herzoglichen
Bibliothek zu Wolfenbüttel. Sechster Beitrag. Braunschweig 1781, Seite 30g.
"" Johann Beckmann, Beiträge zur Geschichte der Erfindungen. Vierter Band. Leipzig 179g, Seite 566.
1- Emil Ferdinand Vogel, Geschichte der denkwürdigsten Erfindungen. Leipzig 184a, Band I], Seite 496.
"H Charles de YEacaIopier. Theophile pretre e! moine. Leipzig 1843.
TH-jakob von Falke, Geschichte des deutschen Kunstgewerbes, Berlin 1888, Seite 42.
1- Bei Karlshafen mündender Nehentluß der Weser.