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Inhaltsverzeichnis: Alte und Moderne Kunst XXVI (1981 / Heft 174 und 175)

werden kann. Die gleiche psychische Auf- 
telit sich den mittelalterlichen Kirchenbe- 
n von Farge, denen die Kenntnis der religiö- 
mbolwerte zwar zur Verfügung stand, die 
dem in die Lage versetzt wurden, aus dem 
Persönlichkeit zur Verfügung stehenden ir- 
len Material eine eigene Deutung zu er- 
in. Weitere Beispiele für den Verzicht auf 
s und für die Hervorbringung der autono- 
Jrm aus dem Unterbewußtsein finden wir 
iVergleich des Bildes "Massaker In Koreau 
von Pablo Picasso mit einer Miniatur aus 
salter des Robert de Lindseye (1214 bis 
3. Jahrhundert). Daß das gleiche Phäno- 
ch mit der Hilfe einer von diesem Beispiel 
imen verschiedenen malerischen Sprache 
sdruck kommen kann, wird durch die Ana- 
wischen der wMetamorphose des Flei- 
(1949) von Ernst Fuchs und eines Details 
irtens der Lüste-i (Anfang 16. Jahrhundert) 
ronymus Bosch erwiesen. In unserem ima- 
Museum darf aber auch die Verbindung 
in den Kulturgegenständen des Schama- 
und den Objekten unserer Zeit nicht feh- 
Vergleich zwischen der Ausrüstung einer 
lektiven Unterbewußtselns. Der extreme Materia- 
lismus wird in Frage gestellt durch die Erkenntnis, 
daß die Variationsmöglichkeiten des Seins ins Un- 
endliche und gewiß ins Unberechenbare reichen, 
daß durch die Gleichung Materie : Energie die 
Möglichkeit eines Modells im Sinne einer materia- 
iistischen Mechanik ausgeschlossen werden 
muß, daß sich also keine feste Grenze ziehen laßt 
zwischen einem physikalisch kontrollierbaren Vor- 
gang und seiner Fortsetzung im psychischen Be- 
reich. Etwas literarischer ausgedrückt: ein explo- 
dierender Stern kann sich jederzeit in eine Seele 
und eine expandierende Seele jederzeit in einen 
Stern verwandeln. Der Mensch tritt aus seiner iso- 
lation heraus, gewahrt seine Verbindung zu den 
langst Verstorbenen und zu den Menschen archa- 
ischer oder utopischer Existenzformen. Das ist 
der Punkt, an dem sich - In der Kunst der Moder- 
ne augenfällig - Erinnerungen und Ahnungen 
verschmelzen. Durch die Beseitigung einer linea- 
ren Zeitvorstellung verschwindet der Unterschied 
zwischen dem psychischen Repertoire des kollek- 
tiven Unterbewußtseins und dem Material der Uto- 
pie. Das Kollektiv braucht als Kommunikations- 
mittel allgemeinverständliche, das heißt, dem kol- 
lektiven Unterbewußtsein entsprechende Zeichen 
und Symbole. Es braucht aber auch das ununter- 
brochene Streben nach einer Bereicherung, Ver- 
feinerung und zugleich Vereinfachung ihrer Sym- 
bolsprache. Auf diese Weise legitimiert sich das 
Experiment als sozial notwendiger Vorgang. Die 
Unendlichkeit der Variationsmögiichkeiten des 
Seins sprengt die herkömmliche Ästhetik. Durch 
die Überwindung der materialistischen Mechanik 
werden die Gesetze der Komposition überflüssig 
- sofern sie nicht Chiffren der psychischen Un- 
endlichkeit sind, vorübergehende Aggregatzu- 
stände der Mobilität. Eine neue Qualität der Frei- 
heit wird erkennbar. Wenn es zwischen einem phy- 
sisch untersuchbaren Vorgang und seiner Fortset- 
zung im psychischen Bereich keine Grenze gibt, 
kann das erkennbare künstlerische Schaffen in 
Kontemplation übergehen, denn auch die bloß ge- 
dachte Kunst ist nur eine Phase schöpferischen 
Prozesses. In diesem Sinn ist auch das Nichts- 
Tun: Tun. Eine Auflösung der herkömmlichen Kri- 
terien für Qualität ist notwendigerweise die Folge. 
Damit nähert sich die Moderne jenem Gottesbe- 
griff, der dem Mittelalter (und der sogenannten Ur- 
zeit) bekannt war. Die Unendlichkeit in der Zeit 
 
hamani und einem Wandtextilwerk von 
E. Päszthy vermag das anschaulich zu ma- 
u erwähnen sind in diesem Zusammen- 
ich die Versuche jener jüngeren österrei- 
n Maler wie Wolfgang Denk und Norbert 
nann, die sich an der Kunst der Urzeit 
'en. ihre Arbeit steht in Verbindung mit ei- 
mehreren Ländern zu beobachtenden 
zhtung, von Harald Szeemann auf der do- 
15 in Kassel (1972) als Streben nach windi- 
' Mythologie-t bezeichnet. 
lerne scheint sich - nicht als Rückbesin- 
er als Rückfall, sondern als Zeichen künf- 
twickiungen - mit der Kunst des Mittei- 
nd durch diese mit dem kultischen Ritus 
rr-Antike zu berühren, die von der Allge- 
t Urzeit enannt wird. überwunden wird 
i des extremen, auf die Verschiedenheit 
vidueilen Denkvorgänge konzentrierten in- 
ismus, das Weltbild des extremen, auf ein 
ares, begrenzbares und mechanisches 
gerichteten Materialismus, die Überzeu- 
aß die Menschen und ihre gesellschaftli- 
"steme geschlossene, zeitlich und räum- 
ierbare Ordnungen darstellen. Der extre- 
ridualismus wird ersetzt durch das ideal- 
einzelnen im Verband des Kollektivs. Die 
eilen Denkvorgänge verlieren an Bedeu- 
gesichts der bewegenden Kräfte des kol- 
11 James Ensor, Uenlree du Christ a Bruxelles, 1888 
12 Weihwasserbecken, Fargee, 11.-12. Jahrhundert? 
13 Pablo Picasso, Massaker In Korea, 1951 
14 Miniatur aus dem Psaiter des Robert de Lindseye, 
1214 - 1222 
15 Ernst Fuchs, Metamorphose des Fleisches, 1949 
16 Hieronymus Bosch, Garten der Lüste (Detail), Anfang 
1G. Jahrhundert 
17 Tofa-Schamanln In voller Ausrüstung von hinten 
1B Magda E. Päszthy, Komposition, 1977 
und im Raum wird als höchste Möglichkeit des 
Seins nicht nur demütig angebetet oder als ein 
Mittelpunkt der Inspiration gebraucht, sondern 
als die Vorbedingung jeder künstlerischen Arbeit 
erlebt. Spiritualismus wird zur vorherrschenden 
Methode der künstlerischen Praxis. 
Dieser neue Spiritualismus bildet ein neues, dem 
Mittelalter (und der Urzeit) allerdings wohlbekann- 
tes Ethos. Der durch die letzten Jahrhunderte ver- 
schüttete oder belächelte Begriff des Heils im Sin- 
ne einer menschlichen Seibstheilung in allen Di- 
mensionen des Mikro- und Makrokosmos wird er- 
kennbar. Das Paradoxon der Moderne besteht dar- 
in, daß sie ihre Nützlichkeit im Sinne dieses Heils 
leugnen muß, um wahrhaft frei und also auch 
nützlich zu sein. So entsteht ein neues Schön- 
heitsideal. Wenn Theophile Gautier im Vorwort zu 
seinem Roman i-Mlie. Mauplnu als programmati- 
sche und provokative Parole die Behauptung zu 
Papier brachte, daß der Abort der nützlichste und 
deshalb haßlichste Ort der Wohnung sei, so wird 
von der Moderne der Abort von den Beispielen für 
die Wirkungsweise der Notwendigkeit als ästhe- 
tisch relevantes Phänomen nicht ausgeschlos- 
sen. Das Nützliche ist im Sinne des Heils zugleich 
schön, und das Schöne ist durch die ihm innewoh- 
nenden Kräfte nützlich. Die Einheit von Schön und 
Nützlich, eine Forderung von Sokrates, erscheint 
als ethisches und zugleich ästhetisches Ziel. 
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