Die chemifche Grofsinduftrie.
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ficli parallell der Meufe auf drei Meilen Diftanz erftrecken. Im Jahre 1675 waren
bereits mehrere Hütten in der Nähe von Ampfin in Betrieb und fchon im
Jahre 1700 hatte die Firma L a m i n n e an diefen Gefchäften Antheil. DieMethode,
deren fich diefelbe gegenwärtig bedient, um einerfeits die Blenderöft-Gafe, die
früher in die Luft gejagt wurden, nutzbar und unfchädlich zu machen und
anderfeits den Alaunfchiefer zu verarbeiten, wurde bereits vor mehreren Jahren*
ausführlich befchrieben.
Diefelbe befteht darin, dafs man die Röftgafe in Canäle aus Alaunfchiefer
treten läfst, welche fich in vielfachen Windungen an einen mehrere hundert Fufs
hohen Bergabhang hinziehen. Die Länge diefer Canäle erreicht einige hundert Meter,
ihre Höhe beträgt D/g, ihre Weite 1 Meter. Die fchweflige Säure wirkt nur bei Luft-
und Feuchtigkeitszutritt auf die Thonerde des Alaunfchiefers, die Abforption und
die Bildung des Aluminiumfulfates ift fo vollkommen , dafs kein Geruch nach
fchwefliger Säure wahrnehmbar ift. Man conftruirt öfters mehrere folcher Syfteme
von Abforptionscanälen und erhält nach einigen Jahren wahre Berge von ,.fulfa-
tifirtem“ Schiefer. Man exploitirt diefe nach vollendeter Einwirkung ge wiffermafsen
fteinbruchartig, laugt fie aus und verarbeitet die Laugen entweder auf fchwefelfaure
Thonerde oder auf Alaun.
Während man nach dem urfprünglichen Verfahren der Bearbeitung der
Schiefer aus, 78 Tonnen desfelben, 1 Tonne Alaun erhielt, genügen nach dem
jetzigen Verfahren hiezu 8 Tonnen, des „fulfatifirten“ Schiefers.
Um die Laugen zu reinigen und von Eifen zu befreien werden nach
de Laminne’s Verfahren Stücke von alten Thonfchiefer-Abbränden, die noch viel
Thonerde enthalten, erhitzt und in die heifse Lauge geworfen, wodurch die freie
Säure gefättigt und das Eifenoxyd gefällt wird.
Schweiz. Die chemifche Fabrik von Schnorff in Uetikon, vier Stunden
von Zürich am See gelegen, ift die einzige bedeutende derartige Fabrik der
Schweiz. Diefelbe ift fehr gut eingerichtet und fabricirt fowohl öogradige als
66gradige Schwefelfäure in zwei grofsen Bleikammer-Syftemen mit zwei Pyrit- •
Röftöfen, in welchen ftaubförmige Pyrite von Perret in Lyon geröftet werden. Die
Röftöfen findEtage-Röftöfen mit fünf übereinander flehenden Etagen, auf welchen
die Pyrite, die man oben eingetragen, der Reihe nach gebracht werden und dem
Strome der eintretenden Luft entgegenkommen. Die Abröftung ift fo vollkommen,
dafs die Röftabbrände nur 1 bis \ x / % Percent Schwefel enthalten.
Die Schnorff fche Fabrik bedient fich zum Concentriren ihrer Schwefelfäure
eines Platinapparates. Die Bleikammern find mit Gay-Luffac’fchen Thürmen verfehen
und die Nitrirung erfolgt durch Salpeterfäure. Man erzeugt Sulfat und verwandelt
beinahe die ganze Menge desfelben in Soda, welche als kryftallifirte Soda in
den Handel kommt, wefshalb auch die natronhältigen Mutterlaugen in einen
Carbonatationsapparat gelangen, d. h. in dünnen Schichten in einen Kamin oder
llnirm niedergehen, durch welchen die Verbrennungsgafe zweier Oefen abziehen.
Aufserdem fabricirt Schnorff Chlorkalk, Salpeterfäure, Eifenvitriol (aus Eifen und
Schwefelfäure) und flüffiges bafifch fchwefelfaures Eifenoxyd (fogenannte falpeter-
faure Eifenbeize der Seidenfärber) mittelft Eifenfulfat und Salpeterfäure. Die falpet-
rigen Dämpfe, welche von den Retorten kommen, werden in die Bleikammer geleitet.
Der Sulfatofen Schnorffs ift eigentümlich conftruirt und auf die gröfst-
möglichfte Erfparnifs an Brennmaterial berechnet. Derfelbe ift nämlich mit demRoh-
fo da-Ofen zufammengebaut und wird durch das abgehende Feuer desfelben erhitzt.
Der Calcinirraum befteht aus zwei Theilen und ift eine langgeftreckte
Muffel, die fo ober dem Rohfoda-Schmelzofen angebracht ift, dafs die abziehenden
Gafe von diefem zuerft ober die Calcinirmuffel ftreichen, dann unter diefelbe und
von hier weiter unter die Zerfetzungscuvette gelangen, um von hier in den Kamin
* Wagner’s Jahresbericht über die Leiftungen der chemifchen Technologie 1871, p. 209.