Internationale
Sdmmfer^eifunj
Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde,
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
19. Jahrgang. Wien, 1. März 1927. Nr. 5.
Sleue ‘Boerner-SZ-hififionen.
Der Chef der Firma C. G. Boerner in Leipzig,
Herr Hans B o e r n er , schreibt uns:
Vom 2.—6. Mai dieses Jahres werde ich drei
Sammlungen versteigern, die. zusammengenommen
das denkbar schönste und reichste Material enthalten,
das der Markt alter Graphik kennt.- Da es sich um
Sammlungen handelt, die zum Teil in der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhunderts, zum Teil aber noch viel
früher zusammengebracht wurden, werden hier viel
fach Blätter von größter Seltenheit geboten, wie sie
auch in meinen großen Auktionen der letzten Jahre
nicht enthalten waren. Insbesondere möchte ich auf
den Reichtum an Holzschnitten des 15. und 16. Jahr
hunderts h'inweisen, wie er wohl nie in einem Auk
tionskatalog vereinigt war.
Die erste Sammlung, die der Katalog 152 behan
deln wird, betrifft die Sammlung des Herrn Franz von
Hägens, (1899 in Dresden f). Franz von Hägens
brachte in der Zeit von den sechziger bis zu den neun
ziger Jahren des vorigen Jahrhunderts eine K u pf c r-
s t i ch s a m m lu n g zusammen, die im Umfang von
600 Nummern das Feinste an Qualitäten der großen
Meister des 15.—17. Jahrhunderts enthält, was in
diesen Jahrzehnten eines an kostbaren Blättern über
reichen Kupferstichmarktes für ihn erreichbar war.
Er stellte vor allem ein Werk der Dürerschen Kupfer
stiche zusammen, das eine große Anzahl Blätter aller
ersten Ranges enthält und dessen bedeutendstes Blatt
ein Abdruck von Adam und Eva aus der Sammlung
V e r s t o 1 k van S o e 1 e n ist, der zweifellos zu den
schönsten Exemplaren gehört, die man von diesem
Stiche kennt. Unter den wenigen, aber gewählten
Holzschnitten Dürers ist ein vollständiges Exemplar
des Marienlebens in Probedrucken anzuführen. Die
Rembrandt-Sammlung enthält nur dreißig
Nummern, darunter jedoch die allergrößten Kostbar
keiten, so den ersten Zustand des Jan Lutma und den
noch viel selteneren des Jan Asselyn, unerhört schöne
Abdrucke der Landschaft mit den drei Bäumen, mit
den drei Hütten, mit Hütte und Heuschober, mit der
.Schamerde, einen herrlichen Bonus, einen früheren
Zustand des Predigers Uytenbogaert, den ersten Zu
stand des Selbstporträts mit aufgestütztem Arm usw.
Was sich um diesen Kern der Sammlung an Blättern
des 15. Jahrhunderts, an Kleinmeistern, an frühen
deutschen Landschaften und an feinen Frühdrucken
der Niederländer des 17. Jahrhunderts, besonders
O s t a d e s, gruppiert, verdiente eigentlich alles
einzeln angeführt zu werden, da sich in der ganzen
Sammlung schlechterdings kein Blatt geringerer
Qualität befindet. Eine reiche Handbibliothek in
schönen Einbänden beschließt diesen Katalog.
Katalog 153 wird eine Sammlung von Kupfer-
. s t. i ch e n und Holzschnitte n a 11 e r M e i s t er
enthalten, die erst vor kurzem auf einem alten Schloß
entdeckt wurde und die seit hundert Jahren kein
sachverständiges Auge sah. Auch sie umfaßt die
Meister des 15.—17. Jahrhunderts, aber ihr Charakter
ist ganz anders als derjenige der Sammlung von
Hägens. Hier herrschen große Seltenheiten besonders
unter den Blättern des 15. Jahrhunderts vor. Zu nen
nen sind vor allem zwei Blätter des Meisters E. S.,
von denen das eine bisher überhaupt nur in einem
sehr defekten Exemplar bekannt war, ferner eine
herrliche große Madonna des sogenannten Mei st e rs
von Zwolle und prachtvolle Blätter von Schon
gaue r, dabei die vollständige Serie der neun Orna
mentstiche in Drucken ersten Ranges. Die Dürers
und Rembrandts bieten reiches, aber wenig erstklas
siges Material. Dagegen fallen viele ungewöhnliche
Blätter und schöne Qualitäten unter den übrigen
Meistern auf, darunter auch bemerkenswerte seltene
Holzschnitte. Eine Ueberraschung für Sammlerwelt
und Wissenschaft sind ein großer, bisher unbe
kannt gebliebener Holzschnitt aus der
F r ü h z e i t Cranachs und ein Manuskript-Band
mit vielen unbeschriebenen, fast ausschließlich nieder
ländischen Holzschnitt-Inkunabeln und sieben bisher
unbekannten Blättern vom Meister des Du-
t u i t s c h e n O e 1 b c r g e s.
Katalog 154 wird eine große Spezial-Sammlung
von Holzschnitten des 1 5.—1 8. J a h r h u n -
derts beschreiben. Noch nie, soweit wir das
Auktionswesen zurückverfolgen können, ist eine
Holzschnitt-Sammlung ausgeboten worden, die dem
Umfang und Wert des Inhaltes dieses dritten Katalo-
ges entsprochen hätte. Dieser enthält die berühmte
Holzschnitt-Sammlung Josef W ii n s c h aus Wien,
eines 1916 im höchsten Alter verstorbenen Sammlers,
den man seit den achtziger Jahren des vorigen Jahr
hunderts auf allen großen Auktionen sah; ferner eine
zweite Holzschnitt-Sammlung, deren Beginn bis
gegen 1800 zurückreicht und welche die Sammlung
Wünsch in glücklicher Weise ergänzt. In den zirka
1300 Nummern dieses Kataloges ist eine fast unüber
sehbare Fülle von interessanten und seltenen Blättern