Die Sage erzählt jedoch über die Gründung des Klosters Wilten die
folgende sehr abenteuerliche Geschichte:
Ein Riese namens Haymon, einem adeligen Geschlechte Bayerns ent-
sprossen, soll, von einem Zuge nach Worms zurückkehrend, einen andern
Riesen namens Thyrsus, einen Rivalen seiner Größe und Kraft, bei Tirschen-
bach im Oberinntal erschlagen haben und da ihn Reue über diese Freveltat
ergriffen hatte, zur Sühne das Kloster gegründet haben, um dort als Laien-
bruder sein Leben zu beschließen. Ein großer Drache, dessen Zunge allein
ein Meter lang war, der sogenannte Silldrache, der sich in den schaurigen
Schluchten des Wipptales an der Sill aufhielt, riß aber bei Nacht all das
nieder, was bei Tage am Klosterbau geschafft worden war, bis es endlich
Haymon in einer Nacht nach langem Kampf gelang, das Untier zu erlegen.
im Jahre 878 soll der Riese sein Leben im Kloster beschlossen haben und
dortselbst begraben worden sein.
Die vier Meter hohe Holzstatue I-Iaymons, dessen Name bereits in der
ersten Hälfte des XIII. Jahrhunderts Erwähnung Findet, befindet sich derzeit
in der Kapelle des St. Michael-Friedhofes. Sie dürfte unter dem Abte Leon-
hard Klingler (1498-1531) angefertigt worden sein. Die Figur lag anfangs
auf dem angeblichen Grab des Riesen in der Klosterkirche, kam im Jahre 1709,
als ein neues Oratorium gebaut wurde, unter das Dach, um später in der
Bibliothek einen Standplatz zu erhalten, bis sie endlich im Jahre 1847 auf den
Friedhof verwiesen wurde. Eine andere Statue Haymons sowie eine seines
Gegners Thyrsus wurde an der Klosterfront zur Aufstellung gebracht.
DerWappenschild des Riesen, derI-Ielm
mit dem Federbusch sowie die Drachen-
zunge, mit der die Statue Haymons versehen
ist, sind spätere Zutaten, mit denen man die
Figur des angeblichen Stifters von Wilten
bereicherte. Der Wappenschild des Riesen
I-Iaymon zeigt in einem grünen Feld einen
silbernenQuerbalken,vielleichteineBezug-
nahme auf den Innfluß oder die Sill. Der
Helm des Wappens trägt als Kleinod einen
auf einem roten Polster sitzenden natür-
lichen Leoparden. In Konrad Grünen-
bergs bekanntem Wappenbuch aus dem
Jahre 1483 ist ebenfalls das Wappen
I-laymons eingetragen („I-Ieimo der I-Ielt
der zuo wilte begraben litt"), hier aber er-
scheint ein blauer Querbalken in einem
weißen Feld, auch fehlt der Polster auf dem
Helm, der mit einer blau-weißen Decke ge-
schmückt ist. Abt Andreas Mayr, der von
1621 bis 1650 dem Stift Vorstand, wollte Abb. 4. Benediktinersüft Muri-Gries. 1891