209
ALTE INNENRÄUME ÖSTERREICHISCHER
PALASTE UND SCHLOSSER s:- VON HART-
WIG FISCHEL-WIEN so
auch vielen andern Städten österreichischer
Kronländer und namentlich zahlreichen Herren-
sitzen und Klosterbauten längs der großen
Straßen, die zum Reichszentrum führen, hat die
prunkvolle Zeit LeopoldsLJosefs I. und Karls VI.
das architektonische Gepräge gegeben. Lang-
gestreckte mächtige Gebäude auf den Gipfeln
von Hügeln in schönster landschaftlicher Um-
gebung, kraftvolle Fronten auf den I-Iauptplätzen
und in wichtigen Straßen der Städte bilden den
Ausdruck einer erstarkten weltlichen Macht und einer selbstsicheren, neu-
belebten kirchlichen Herrschgewalt, die sich in prunkvollen Sälen, in streng
disponierten weiträumigen Parkanlagen auslebt, die es vermochte, einer
Landschaft, einem Stadtbild, aber auch dem Innenraum bis zum kleinsten
Gebrauchsgegenstand ihren Stempel aufzudrücken.
Geistliche und weltliche Fürsten haben ihrer zeitlichen Macht wie ihren
repräsentativen Pflichten durch Kunstliebe einen baulichen Ausdruck gegeben,
der ihren Glanz iiberdauerte.
In den Städten verwischt unsere Zeit imnrer mehr den Nimbus jener
Tage, um einem neuen Geist Raum zu schaffen. Die Zeit der Nachahmung
alter aristokratischer Kultur ist vorüber, die Periode ihres dominierenden
wesensfremden Einflusses auf die freie Entfaltung moderner bürgerlicher
Kräfte schwindet immer mehr. Vor der gänzlichen Zerstörung sucht man nun
wieder ihre so bedeutenden Denkmäler zu studieren.
Man hat die Leistungen dieser merkwürdigen Zeit und der ihr unmittel-
bar folgenden Periode früher mehr vom Standpunkte der Außenarchi-
tektur, vom vergleichenden Standpunkte der Stilgeschichte aus literarisch
behandelt. Heute reiht sich mit Notwendigkeit auch das Studium der Innen-
räume an. Während die Konfiguration der Anlagen, die äußere Erscheinung
der Bauten in der Regel im Laufe der Zeiten viel gelitten hat und nirgends
die volle Unverändertheit der Beziehung zur Umgebung bewahren konnte,
die für ein Bauwerk so wichtig ist, gibt es doch noch verhältnismäßig viel
Raumgestaltungen jener Perioden, die noch einheitlich und wenig verändert
den Geist der Zeit widerspiegeln.
Der Glanz jener Tage ist erloschen, das Prunkbedürfnis ist nie mehr
wieder zu solcher Höhe gestiegen. Gar viele dieser einst von reichern,
starkem Leben erfüllten Säle und Gemächer sind seither fast unbenutzt
geblieben oder nur wenig in Anspruch genommen worden. Das hat ihre
Gestaltung konserviert.