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Volltext: Monatszeitschrift XV (1912 / Heft 8 und 9)

  
und wider diese I-Iolzpuppen 
des begeisterten Zuschauer- 
gemüts, das ja in unserer 
immer mehr intellektuali- 
stisch gewordenen Kultur 
meistens nur noch ein leb- 
haftes Kinderherz ist," der 
beste Boden allerdings für 
die Beseelung von Puppen 
und Puppenspielen: In dem 
poetischen Märchen E. T. 
A. Hoffmanns „Nußknacker 
und Mausekönig" schildert 
der Dichter, welche schreck- 
lichen Kriegsabenteuer und 
Lebensgefahren das Weih- 
nachtsspielzeug in der fest- 
lich erregten Phantasie einer 
kleinen Maria zu bestehen 
hatte. Aber keineswegs be- 
darf es immer reicher Spiel- 
zeuge, um die Vermensch- 
„w lichung der lieben Puppe 
Abb. 33. Englische, durch einen Federmechanismus bewegliche  Auge des Kindes, der 
Modepuppen „The Fasllcimarät:giählvlggrtfphie der Restaurations- kleinen Mutter, des Väter_ 
{i chens, des Freundchens und 
der Freundin, wirklich werden zu lassen: Jene früharabische Puppe aus 
Achmim(Abb. 1 5) gab nichts mehr als primitive geometrische Anregungen, aus 
denen die ganze physiognomische Lebendigkeit zu gewinnen war. Aber auch 
dieses erscheint schon für die kindlich spielende Vorstellung als ein unnötiger 
Überfluß an konkret Gegebenem, da bereits der von einem Lappen umwickelte 
Stock des Mädchens aus dem Volke genügt, für sein Spielen aus der un- 
organischen Sache ein höchst seelenvolles Wesen zu machen, ein Willens- 
objekt oder Willenssubjekt, je nachdem, ein vom Kinde abhängiges Geschöpf 
oder einen ihm Furcht und Verehrung einflößenden Gott. Und tatsächlich sind 
auch die völkerpsychologischen Zusammenhänge zwischen Idol und Puppe, 
zwischen dem göttlichen Abbild und Fetisch und dem kindischen Spielzeug 
weit enger, als das eine nur äußere Betrachtung anzunehmen vermag, worauf 
ja einige unserer ältesten Beispiele (Abb. I, 2, 6) deutlich genug hinweisen. 
" Für Erwachsene wie für Kinder bestimmt war hingegen das Marionettentheater Münchener Künstler, 
geleitet von Paul Brann, das in den letzten Jahren im Münchener Ausstellungspark auf der Theresienhöhe zu 
Sehen war und seine Gastspiele auch in verschiedenen deutschen Großstädten gab. In seiner stilvollen Gesamt- 
form von bildender und akustischer Kunst erfüllte es die Sehnsucht vieler künstlerisch interessierten Menschen, 
die naive Dramatik und eine lustige Augenfreude allem Wirrwarr einer analytischen Psychologie und eines 
übertriebenen, zu realistischen Kunsrausdrucks verzogen. Die theatralische Einheit aller mitwirkenden Künste 
erschien auf dieser Bühne en miniature viel überzeugender als in dem Pomp sämtlicher großer Musikdrarnen. 
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