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bemerkbar machen. Und nun heißt es tüchtig Atem und
Geduld schöpfen, bevor man auf die Besichtigung der
in 44 Sälen verteilten (über 3000 Nummern) Bilder und
Zeichnungen übergeht.
Die Riesenbilder in dem großen Mittelsaal sind
gerade nicht diejenigen, welche den Titel und den
Platz von Kunstwerken verdienen. Natürlich muß man
sie bemerken. „Prairial" von Gorguet, Wiesen, Strauch-
werk, allegorische Figuren und Gruppen. Nichts davon,
was im Gedächtnis haftet, nachdem man daran vorbei-
gegangen ist. Das zweitgrößte Stück „jeux floraux en
1324" ist ganz genau im Stile und in der Manier dieser
Zeit gehalten. Der Maler jean-Paul Laurens wird hiermit
nicht ebensoviel Ruhm ernten, als diese Arbeit an
Mühe darstellt.
Das große militärisch-patriotische Bild von Scott
„La chevauchee", eine Kavalleriecharge, der der Tod
voranreitet, gehört zu den Eifektstücken für das große
Publikum und erfüllt als solches im Salon auch seinen
Zweck. Anziehend durch den Titel und das Sujet wirkt
auch auf die Menge „Molieres Tod" von Emile Renard.
Spanien ist heuer durch zwei vorzügliche Maler
vertreten: Carlos Vasquez (mit einer Carmen zwischen
zwei Gendarmen) und Maximo Caballero, dessen klei-
ne historische
Genrebilder in
prunkvollen Interieurs und herrlichen Kostümen
schwelgen. Zu den besten Bildern des Salons ge-
hören die beiden meisterhaften Ölgemälde von
Henri Martin. Eines davon, „L'Automne", habe
ich bereits gelegentlich einer früheren Ausstellung
bei Georges Petit besprochen. Das andere „Les
Devideuses" (für eine Gobelintapisserie alsVorlage
bestimmt) weist dieselben hervorragenden Eigen-
schaften des Meisters auf.
Eine Augenweide ist auch „Matinee de
Septembre" von Paul Chabas in gelblich-grauem
Licht über einem See. Darin die nackte Figur
eines jener reizenden, halbwüchsigen, blonden
Mädchen, wie man sie auf einigen berühmt ge-
wordenen Bildern von Chabas findet. Dieses letzte
Gemälde reiht sich würdig an die vorhergegan-
genen Leistungen des Meisters und wird viel-
fach der „Clou" des heurigen Salon genannt.
Ein vorzügliches Porträt, ebenfalls von Chabas,
Bildnis der Madame Aston Knight, konnte man
schon im Winter in der Ausstellung des „Cercle
artistique" bewundern.
Die Porträte sind sehr zahlreich im „Salon
des Artistes Francais", und zwar sind diesmal
ganz besonders viele gute Männerporträte zu
verzeichnen; zwei vorzügliche Bilder vonl-Iermann Abb. r 5. Frauenhaube aus der Ötschergegend
Abb. x4. Fayencekrug mit
Jagddarstellungen, XVIII. Jahrhundert