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fullscreen: Hohe Warte - Illustrierte Halbmonatsschrift für Architektur, angewandte Kunst und alle modernen Kulturaufgaben, 4. Jahrgang 1908

Befonderes auffältt, fei es nun, daß wir die Empireformen auf 
unteren Spaziergängen in den bolländifchen Straßen, in den 
Türoberlicbten oder in den farbig behandelten Friesfeldem der 
Backfteinbäufer mit angenehmer Verwunderung wabrnebmen 
oder einen jener köftlicben Torblicke erbafeben ins Innere der 
lang nach dem rückwärtigen Garten gezogenen Hausflure, die 
mit weißem Marmor getäfelt find und in unerfcböpflicber Viel- 
geftaltigkeit ftilifierte Buketten in vertieft eingelaffenen Relief- 
vafen als Supraporten zu den Türen links und rechts tragen, 
oder einen weiß und gold abgeftimmten Raum betreten, darin 
die Lünettenbilder die wobldisziplinierten farbigen Leitpunkte 
bilden und für die Harmonie der Verbältniffe ebenfo unver 
brüchlich find, wie die Bilder der altbolländifcben Meifter in den 
Räumen der früheren, von anderen Kunftidealen beberrfdbten 
Jahrhunderten, bis zurück in die Zeit, die als Legende im Haar- 
lemer und im Zierikzeer Ratbausfaal naebklingt. In Holland ift 
auch das Tote lebendig, und die Vergangenheit fleht uns dort 
näher als fonftwo. L - 
CHARAKTERISTIK, CHRONIK, KRITIK 
DAS KRIEGSMINISTERIUM IN WIEN UND DER 
PLATZ »AM HOF« 
ien febwebt in der Gefahr, feinen febönften Plat) zu verlieren; die 
Staatsverwaltung bat das Kriegsminifterum -Hm Hof« an die Ge 
meinde Wien verkauft, welche den alten Bau niederlegen will, um die 
Bognergaffe zu regulieren, d. b. gerade zu machen und an ihrer Mün 
dung zu verbreitern. Mit dem Minifterium erhält auch das gegen 
wärtig noch vor ihm aufgeftellte Radetjkydenkmal einen anderen Plat). 
Gefcbicbtlicbe Erinnerungen und künftlerifcbe Beweggründe reichen fleh 
die Hand zur Hbwebr modernen Regulierungswahnes. Es ift für 
unfere Kreife böcbft wichtig, daß die k. k. Zentralkommiffion (im Bei 
blatte des -Kunftgefcbichtlicben Jahrbuches« 1907, Sp. 99 ff.) durch HflNS 
TIETZE mit aller Entfcbiedenbeit gegen irgendwelche Änderung des 
alten Beftandes ficb ausfpriebt. Früher hätte fie vielleicht der biftorifebe 
Zufammenbang allein bewogen, gegen den Abbruch des Baues das 
Wort zu ergreifen; fie hätte den Hlterswert desfclben betont und 
Mühe genug gehabt, ihn gegenüber den begreiflichen Neubeitsforde- 
rungen durebzufetyen. Dazu tritt nun mit mächtiger Stimme das, was 
der moderne Denkmalpfleger vom äftbetifeben Standpunkte aus un 
bedingt zu fordern hat, nicht allein geftütfl auf eine Künftlerperfön« 
lichkeit oder ein kunftwiffenfcbaftlicbes Urteil, fondern auf das Fun 
dament einer wenn auch noch wenig verbreiteten, fo doch bei ihren 
Anhängern innerlich gekräftigten künftlerifchen Kultur. Wir fcbließen 
uns dem Protefte, den Tiet)e gegen die Änderung des Planes »Am 
Hof« erhebt, vollinhaltlich an und halten die Angelegenheit für derart 
typifcb, daß wir fie eingehender befpreeben wollen. □ 
Tietje legt in erfter Linie die gefchichtliche Bedeutung des gefähr 
deten Platjes dar; an der Stelle, wo das Kriegsminifterium ftebt, er 
hob fich jedenfalls febon 1158 der Herzogsbof, der ungefähr 70 Jahre 
fpäter in Zufammenhang mit der Vollendung der neuen Burg bei 
St. Michael in den Münzhof umgewandelt wurde. Er war die Refidenz 
der Babenberger in ihrer Glanzzeit, verfebönt durch die Minnefänger 
Reinmar von Hagenau und Walter von der Vogelweide. Hlbrecbt III. 
übergab den Münzhof den Karmelitern; von da ab wird der ftille Re- 
fidenzplat) gefchäftiger Marktplat). 1554 — 1773 waren die Jefuiten Be- 
fit)er des Gebäudes, das von der Zeit ab den Hofkriegsrat, den Vor 
läufer des Kriegsminifteriums, und diefes felbft beherbergt. □ 
»Wie das Gebäude beute ftebt, ift es der direkte Erbe aller Tra 
ditionen diefes Kaufes und der Träger all der Erinnerungen, die an 
den früheren Inhabern haften, das künftlerifcb geftaltete und deswegen 
finnfällige Denkmal einer Reibe von Kulturen, die hier Herd und 
Heimat batten und in ihrer ununterbrochenen Gefcbloffenbeit faft die 
gefamte geiftige und künftlerifcbe Gefcbicbte unferes Landes und unferer 
Stadt darftellen. Ein derartiges Gebäude kann aber für keinen gleich 
gültig fein, für den die gefchichtlichen Tatfacben mehr find als bloße 
Anekdoten; wer in jenen früheren Kulturen die Grundlage und not 
wendige Vorausfetjung der unferen fiebt, der wird auch Pietät für ihr 
arebitektonifebes Denkmal heifeben * □ 
Mit gleicher Gewichtigkeit ftellen ficb die äftbetifeben Bedenken neben 
die gefchichtlichen Erinnerungen. Der Plat) »Hm Hof« vereinigt alle 
Eigenfcbaften in ficb, welche die moderne Theorie des künftlerifchen 
Städtebaues auf Grund ihrer biftorifchen Studien beanfpruebt; ein 
Marktplat) im wahren Sinne des Wortes, wird er an keiner Stelle quer 
von einem Straßenzuge durebfebnitten, der Hauptverkebr geht vielmehr 
an der einen Plat)wand vor ficb. Man erfreut fich daher auf ihm der 
für alle guten Platjanlagen kennzeichnenden Ruhe und Stille, die ihn 
als Monumentalplat) hervorragend geeignet machen. Außerdem wirkt 
er trot> der vielen Straßeneinmündungen allfeitig gefchloffen, und zwar 
durch das bekannte Mittel etwas gefebwungener und verfemter Flucht 
linien. Tiet)e faßt die Qualitäten in die Worte »gefchloffene Wirkung 
mit verdeckten Ausmündungen, malerifcbe Durchblicke, Öffnung zu 
Doppelplat) mit Niveauverfchiedenheit« zufammen. Schon ift das Bild 
des Planes durch einen aufdringlichen Neubau gegen den Judenplat) 
bin empfindlich geftört, es bedarf daher eines dringenden Schußes vor 
jeder weiteren Entftellung, die unfehlbar eintreten muß, wenn man 
das Kriegsminifterium niederlegt und einen Teil der frei gewordenen 
Fläche zur Regulierung der Bognergaffe verwendet. Auf diefe Weife 
ginge die Gefcbloffenbeit und der Anblick des Doppelplat)es verloren. 
Als Gegenwerte kämen die Verkehrsrückfichten in Betracht; eine 
zwingende Notwendigkeit ift die Verbreiterung der Bognergaffe nicht, 
denn die ganze Anlage der inneren Stadt läßt nicht den Gedanken 
aufkommen, daß diefer Straßenzug jemals für febweren Wagenverkebr 
eine Bedeutung gewinnen könnte. So ift es nur wieder die »Rückficbt 
auf den Drofcbkengaul« (Gurlitt), der man den febönften Plat) der 
Stadt opfern will. Der Vergleich des Londoner Verkehrs an der Bank 
von England iet)t die entfehiedene Bevorzugung der Verkehrsrückfichten 
vollends außer Kraft! n 
»Kultumationen kennen den Wert und die Heiligkeit folcber Symbole 
und fcbüt)en fie auch, wo fie ihrer Bequemlichkeit im Wege flehen und 
keine künftlerifchen Reize befit)en; wir aber zerftören fie ohne Not, 
auch wenn fie zum Schönften gehören, das wir haben!« □ 
Zu bedauern ift dabei, daß der Staat den Bau bedingungslos an 
die Gemeinde verkauft hat, der er nun ganz ausgeliefert ift; fie wird 
darüber zu entfebeiden haben, ob Wien einen künftlerifchen Anzie 
hungspunkt behält oder einem ungefunden Amerikanismus Tür und 
Tor öffnen wird. Irgend eine praktifebe Verwendung wird das alte 
Gebäude ficher zulaffen, die Gemeinde bat hinlänglich Zeit, einen be 
friedigenden Befcbluß zu faffen. w. semetkowski 
WALDSCHUTZ IN PREUSSEN 
it einem rühmlichen Beifpiele geben das preußifebe Landwirtfcbafts- 
minifterium und die Staatsforftverwaltung anderen öffentlichen 
und privaten Körperfcbaften voran, indem fie einzelne den Staatsforften 
zugehörige Waldteile von naturwiffenfcbaftlicbem oder äftbetifebem Werte 
refervieren und von jeder Bewirtfcbaftung ausfcbließen. So bleibt z. B. 
in der Oberförfterei Reppen in der Mark ein anfebnlicber Waldbeftand 
mit Weißtannen, die dort urwücbfig find, von jedem Einfcblag verfebont; 
in der Oberförfterei Sorau wird ein 200 jähriger Mifchbeftand von Kiefer, 
Eiche, Linde und Weißbuche vom Kablbefchlag ausgefcbloffen. In einem 
Falle bat die Forftverwaltung befondere Mittel gewährt, um eine Moor 
fläche mit der feltenen Zwergbirke, die nicht abgetrieben werden darf, 
durch Ankauf zu fiebern. Wie verhält fich diefe erfreuliche Tätigkeit 
dazu, daß Berlin keine Hand rührt, die Vernichtung feiner Wälder 
aufzubalten? w - s - 
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