Befonderes auffältt, fei es nun, daß wir die Empireformen auf
unteren Spaziergängen in den bolländifchen Straßen, in den
Türoberlicbten oder in den farbig behandelten Friesfeldem der
Backfteinbäufer mit angenehmer Verwunderung wabrnebmen
oder einen jener köftlicben Torblicke erbafeben ins Innere der
lang nach dem rückwärtigen Garten gezogenen Hausflure, die
mit weißem Marmor getäfelt find und in unerfcböpflicber Viel-
geftaltigkeit ftilifierte Buketten in vertieft eingelaffenen Relief-
vafen als Supraporten zu den Türen links und rechts tragen,
oder einen weiß und gold abgeftimmten Raum betreten, darin
die Lünettenbilder die wobldisziplinierten farbigen Leitpunkte
bilden und für die Harmonie der Verbältniffe ebenfo unver
brüchlich find, wie die Bilder der altbolländifcben Meifter in den
Räumen der früheren, von anderen Kunftidealen beberrfdbten
Jahrhunderten, bis zurück in die Zeit, die als Legende im Haar-
lemer und im Zierikzeer Ratbausfaal naebklingt. In Holland ift
auch das Tote lebendig, und die Vergangenheit fleht uns dort
näher als fonftwo. L -
CHARAKTERISTIK, CHRONIK, KRITIK
DAS KRIEGSMINISTERIUM IN WIEN UND DER
PLATZ »AM HOF«
ien febwebt in der Gefahr, feinen febönften Plat) zu verlieren; die
Staatsverwaltung bat das Kriegsminifterum -Hm Hof« an die Ge
meinde Wien verkauft, welche den alten Bau niederlegen will, um die
Bognergaffe zu regulieren, d. b. gerade zu machen und an ihrer Mün
dung zu verbreitern. Mit dem Minifterium erhält auch das gegen
wärtig noch vor ihm aufgeftellte Radetjkydenkmal einen anderen Plat).
Gefcbicbtlicbe Erinnerungen und künftlerifcbe Beweggründe reichen fleh
die Hand zur Hbwebr modernen Regulierungswahnes. Es ift für
unfere Kreife böcbft wichtig, daß die k. k. Zentralkommiffion (im Bei
blatte des -Kunftgefcbichtlicben Jahrbuches« 1907, Sp. 99 ff.) durch HflNS
TIETZE mit aller Entfcbiedenbeit gegen irgendwelche Änderung des
alten Beftandes ficb ausfpriebt. Früher hätte fie vielleicht der biftorifebe
Zufammenbang allein bewogen, gegen den Abbruch des Baues das
Wort zu ergreifen; fie hätte den Hlterswert desfclben betont und
Mühe genug gehabt, ihn gegenüber den begreiflichen Neubeitsforde-
rungen durebzufetyen. Dazu tritt nun mit mächtiger Stimme das, was
der moderne Denkmalpfleger vom äftbetifeben Standpunkte aus un
bedingt zu fordern hat, nicht allein geftütfl auf eine Künftlerperfön«
lichkeit oder ein kunftwiffenfcbaftlicbes Urteil, fondern auf das Fun
dament einer wenn auch noch wenig verbreiteten, fo doch bei ihren
Anhängern innerlich gekräftigten künftlerifchen Kultur. Wir fcbließen
uns dem Protefte, den Tiet)e gegen die Änderung des Planes »Am
Hof« erhebt, vollinhaltlich an und halten die Angelegenheit für derart
typifcb, daß wir fie eingehender befpreeben wollen. □
Tietje legt in erfter Linie die gefchichtliche Bedeutung des gefähr
deten Platjes dar; an der Stelle, wo das Kriegsminifterium ftebt, er
hob fich jedenfalls febon 1158 der Herzogsbof, der ungefähr 70 Jahre
fpäter in Zufammenhang mit der Vollendung der neuen Burg bei
St. Michael in den Münzhof umgewandelt wurde. Er war die Refidenz
der Babenberger in ihrer Glanzzeit, verfebönt durch die Minnefänger
Reinmar von Hagenau und Walter von der Vogelweide. Hlbrecbt III.
übergab den Münzhof den Karmelitern; von da ab wird der ftille Re-
fidenzplat) gefchäftiger Marktplat). 1554 — 1773 waren die Jefuiten Be-
fit)er des Gebäudes, das von der Zeit ab den Hofkriegsrat, den Vor
läufer des Kriegsminifteriums, und diefes felbft beherbergt. □
»Wie das Gebäude beute ftebt, ift es der direkte Erbe aller Tra
ditionen diefes Kaufes und der Träger all der Erinnerungen, die an
den früheren Inhabern haften, das künftlerifcb geftaltete und deswegen
finnfällige Denkmal einer Reibe von Kulturen, die hier Herd und
Heimat batten und in ihrer ununterbrochenen Gefcbloffenbeit faft die
gefamte geiftige und künftlerifcbe Gefcbicbte unferes Landes und unferer
Stadt darftellen. Ein derartiges Gebäude kann aber für keinen gleich
gültig fein, für den die gefchichtlichen Tatfacben mehr find als bloße
Anekdoten; wer in jenen früheren Kulturen die Grundlage und not
wendige Vorausfetjung der unferen fiebt, der wird auch Pietät für ihr
arebitektonifebes Denkmal heifeben * □
Mit gleicher Gewichtigkeit ftellen ficb die äftbetifeben Bedenken neben
die gefchichtlichen Erinnerungen. Der Plat) »Hm Hof« vereinigt alle
Eigenfcbaften in ficb, welche die moderne Theorie des künftlerifchen
Städtebaues auf Grund ihrer biftorifchen Studien beanfpruebt; ein
Marktplat) im wahren Sinne des Wortes, wird er an keiner Stelle quer
von einem Straßenzuge durebfebnitten, der Hauptverkebr geht vielmehr
an der einen Plat)wand vor ficb. Man erfreut fich daher auf ihm der
für alle guten Platjanlagen kennzeichnenden Ruhe und Stille, die ihn
als Monumentalplat) hervorragend geeignet machen. Außerdem wirkt
er trot> der vielen Straßeneinmündungen allfeitig gefchloffen, und zwar
durch das bekannte Mittel etwas gefebwungener und verfemter Flucht
linien. Tiet)e faßt die Qualitäten in die Worte »gefchloffene Wirkung
mit verdeckten Ausmündungen, malerifcbe Durchblicke, Öffnung zu
Doppelplat) mit Niveauverfchiedenheit« zufammen. Schon ift das Bild
des Planes durch einen aufdringlichen Neubau gegen den Judenplat)
bin empfindlich geftört, es bedarf daher eines dringenden Schußes vor
jeder weiteren Entftellung, die unfehlbar eintreten muß, wenn man
das Kriegsminifterium niederlegt und einen Teil der frei gewordenen
Fläche zur Regulierung der Bognergaffe verwendet. Auf diefe Weife
ginge die Gefcbloffenbeit und der Anblick des Doppelplat)es verloren.
Als Gegenwerte kämen die Verkehrsrückfichten in Betracht; eine
zwingende Notwendigkeit ift die Verbreiterung der Bognergaffe nicht,
denn die ganze Anlage der inneren Stadt läßt nicht den Gedanken
aufkommen, daß diefer Straßenzug jemals für febweren Wagenverkebr
eine Bedeutung gewinnen könnte. So ift es nur wieder die »Rückficbt
auf den Drofcbkengaul« (Gurlitt), der man den febönften Plat) der
Stadt opfern will. Der Vergleich des Londoner Verkehrs an der Bank
von England iet)t die entfehiedene Bevorzugung der Verkehrsrückfichten
vollends außer Kraft! n
»Kultumationen kennen den Wert und die Heiligkeit folcber Symbole
und fcbüt)en fie auch, wo fie ihrer Bequemlichkeit im Wege flehen und
keine künftlerifchen Reize befit)en; wir aber zerftören fie ohne Not,
auch wenn fie zum Schönften gehören, das wir haben!« □
Zu bedauern ift dabei, daß der Staat den Bau bedingungslos an
die Gemeinde verkauft hat, der er nun ganz ausgeliefert ift; fie wird
darüber zu entfebeiden haben, ob Wien einen künftlerifchen Anzie
hungspunkt behält oder einem ungefunden Amerikanismus Tür und
Tor öffnen wird. Irgend eine praktifebe Verwendung wird das alte
Gebäude ficher zulaffen, die Gemeinde bat hinlänglich Zeit, einen be
friedigenden Befcbluß zu faffen. w. semetkowski
WALDSCHUTZ IN PREUSSEN
it einem rühmlichen Beifpiele geben das preußifebe Landwirtfcbafts-
minifterium und die Staatsforftverwaltung anderen öffentlichen
und privaten Körperfcbaften voran, indem fie einzelne den Staatsforften
zugehörige Waldteile von naturwiffenfcbaftlicbem oder äftbetifebem Werte
refervieren und von jeder Bewirtfcbaftung ausfcbließen. So bleibt z. B.
in der Oberförfterei Reppen in der Mark ein anfebnlicber Waldbeftand
mit Weißtannen, die dort urwücbfig find, von jedem Einfcblag verfebont;
in der Oberförfterei Sorau wird ein 200 jähriger Mifchbeftand von Kiefer,
Eiche, Linde und Weißbuche vom Kablbefchlag ausgefcbloffen. In einem
Falle bat die Forftverwaltung befondere Mittel gewährt, um eine Moor
fläche mit der feltenen Zwergbirke, die nicht abgetrieben werden darf,
durch Ankauf zu fiebern. Wie verhält fich diefe erfreuliche Tätigkeit
dazu, daß Berlin keine Hand rührt, die Vernichtung feiner Wälder
aufzubalten? w - s -
138