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Volltext: Monatszeitschrift XV (1912 / Heft 10)

Fürsten Gallitzin jenes in seinen 
Formen höchst charakteristische 
Lustgebäude errichtet, das später 
in kaiserlichen Besitz überging 
und wo noch der Vater unseres 
Kaisers stets am 1. Mai vor Beginn 
der Praterfahrt ein Diner zu ver- 
anstalten pflegte. Hand in Hand 
mit der Aufmachung des Praters 
erfolgt der Ausbau der Jägerzeile, 
welche bis zur Stadterweiterung 
und Anlage der Ringstraße als 
eine der vornehmsten Straßen 
Wiens galt. 1780 wird hier die 
alte Nepomukkirche errichtet, 
nachdem das frühere, dem heiligen 
Nepomuk geweihte und für die 
kaiserlichen Jäger im Prater be- 
stimmt gewesene I-Iolzkirchlein 
(an der Stelle des heutigen Zirkus 
Busch) abgebrochen worden war. 
Außer im heutigen zweiten 
Bezirke wird unter Kaiser Josef 
vor allem im heutigen neunten 
Bezirke umfangreiche Bautätigkeit 
entfaltet, es entsteht das Allge- 
meine Krankenhaus, die eben jetzt abgebrochene Alserkaserne, das Garnisons- 
spital und vor allem das Joseiinum, 1785 vom Hofarchitekten Cannavale 
(Canneval) errichtet, dessen Familiennamen wir bereits in früherer Zeit beim 
Palais Paar in der Wollzeile begegnen. Das Joseiinum, das wertvollste 
Monumentalwerk der josetinischen Epoche, ist ein lebendiges Zeugnis der 
neuerwachten Baugesinnung, welche den Monumentalbau in seinen Ideen 
und architektonischen Betonungen von innen nach außen heraus ent- 
wickelt. Der Stich von Schütz zeigt uns den Vorgarten noch ohne den 
Brunnen von J. M. Fischer. Hauptansicht und Seitenfiügel des Gebäudes 
mit jonischer Pilasterordnung und sehr charakteristischen Fensterbildungen 
bieten ein Vollendetes Beispiel jener ruhigen Würde, welche dem neuen 
Geiste der Baukunst völlig entspricht. Hochinteressant sind auch das Biblio- 
thekszimmer mit seiner schlanken Säulenteilung und der Festsaal, während 
Stiegenhaus und Gänge etwas kleinlich geraten sind. 
Schon unter Maria Theresia, mehr aber noch unter josef II., welcher 
Industrie und Gewerbe in der ihm eigentümlichen absolutistischen Weise 
fördert, kräftigt sich das Wiener Bürgertum immer mehr und mehr und 
gelangt zu steigendem Wohlstande. Der typische Ausdruck dieser veränderten 
 
Portal eines Hauses in Wiener-Neustadl, Niederösterreich
	        
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