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Volltext: Monatszeitschrift XV (1912 / Heft 11)

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der Raumbehandlung und perspektivischer Vertiefung und um die zeich- 
nerische Auffassung handeln. Immerhin werden wir aber durch die Photos 
wenigstens in die glückliche Lage versetzt, uns von einem der wichtigsten 
und vollständigsten Werke der Pacherschule nun ein Bild zu machen, wo 
wir uns bisher mit den diirftigsten und sogar mit unrichtigen Notizen 
begnügen mußten. l" 
Die sieben Gemälde im Kloster Tiberias stellen, wie bereits flüchtig 
erwähnt, Szenen aus dem Leben der beiden Apostelfürsten dar, und zwar 
drei aus dem Leben des heiligen Petrus und vier aus dem Leben des heiligen 
Paulus. Das vierte Petrusbild ist längst verschollen. Da der szenische Inhalt 
der Gemälde für die Rekonstruktion des Altars von Wichtigkeit ist, geben 
wir zunächst eine kurze Beschreibung der Bilder, die um so mehr angezeigt 
ist, als dabei die ikonographische Seltenheit einiger Szenen und die für 
dieselben maßgebenden legendarischen Quellen nicht unberührt bleiben 
können. 
Betrachten wir zunächst die Bilder der Petruslegende! Das erste Bild 
(Abb. 1) behandelt den Sturm auf dem Meere und den Gang Petri auf dem 
Wasser nach den Worten des Evangeliums Matthäi (14, 24-31). Die Kom- 
position faßt die beiden Momente zu einem Ganzen zusammen. Zur Linken 
sieht man in einem Schiff mit gerefftem Segel Petrus, der sich mit der 
Rechten an den Mast klammert und mit Hehendem Blick und bittender Ge- 
bärde die Linke gegen Christus wendet, als wollte er sagen: „Wenn Du es 
bist, Herr, so heiße mich auf dem Wasser zu Dir kommenü" Rechts neigt 
sich zu dem in den Wellen halb versinkenden Apostel Christus, der ihn mit 
der rechten Hand zu sich emporzieht. Die beiden Schriftbänder nach Matthäi 
14, 30 und 31: „Domine saluü me fac" und „Modice fidei quare dubitasti" 
bestimmen die momentane Situation näher. Der Hintergrund bietet links Aus- 
blick auf eine bergige Küstenlandschaft mit einer mit Türmen, Toren und 
Mauern befestigten Stadt, aus deren Mitte ein in phantastischen Formen 
errichteter Turm hervorragt. Das Meer, nur mit leichten sich kräuselnden 
Wellen bedeckt, ist von zahlreichen Segelschiffen, die sich im Wasser 
' In betreff der photographischen Aufnahmen bemerke ich, daß rnir solche erstmals vor reichlich zwei 
Jahren von Herrn Bildhauer Sebastian Osterrieder-Mllnchen unterbreitet wurden. Er hatte sie selbst gele- 
gentlich einer Palästinareise gefertigt in der Überzeugung, daß die Gemälde einer bayrischen, speziell der 
Landshuter Schule angehörten, weil auf einem der Bilder das Wappen Landshuts vorkomme und eines der 
Stidtebilder dem Landsbuts mit der St. Martinskirche entspreche. Waren diese Annahmen auch verfehlt, so 
kommt Osterrieder immerhin das Verdienst zu, durch die Photographien erstmals die Anhaltspunkte zur 
weiteren Untersuchung geboten zu haben. Unter Ablehnung seiner Anschauung habe ich unter anderem Oster- 
rieder auch auf die Zugehörigkeit der Bilder zu der Tratzherger Tafel hingewiesen. Dienstliche Gründe ver- 
hinderten mich zunächst an der eingehenderen Bearbeitung der Bilder, beziehungsweise der Photos, zu der ich 
anfangs dieses Jahres durch Herm Hochschulprofessor Dr. Bernhard Sepp-Regensburg aufs neue angeregt 
wurde. Genanntem Herrn verdanken wir die unserem Aufsatze zugrunde liegenden neugefertigten Aufnahmen. 
Der Aufsatz war inhaltlich vollkommen abgeschlossen, als jener von Oskar Döring, „Neues über ein Tiroler 
Altarwerk des XV. jahrhunderts" in „Die christliche Kunst", Vlll (rgxz), S. 30x, erschien. Für die Untersuchung 
des Altars und seine Stellung in der Pacherfrage bot diese vorwiegend deskriptive Behandlung der Tiberias- 
bilder nichts von Belang. so daß es mir nur erübrigte, in Fußnoten eine Reihe von Berichtigungen u. E. bei- 
zufügen. 
""' Döring a. a. O. erblickt. in vollständiger Verkennung der echt mittelalterlichen Zwießltigkeit des 
szenischen Inhalts dieser Bildtafel. in dem Mann im Schiffe nur einen „Apostelf
	        
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