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der Raumbehandlung und perspektivischer Vertiefung und um die zeich-
nerische Auffassung handeln. Immerhin werden wir aber durch die Photos
wenigstens in die glückliche Lage versetzt, uns von einem der wichtigsten
und vollständigsten Werke der Pacherschule nun ein Bild zu machen, wo
wir uns bisher mit den diirftigsten und sogar mit unrichtigen Notizen
begnügen mußten. l"
Die sieben Gemälde im Kloster Tiberias stellen, wie bereits flüchtig
erwähnt, Szenen aus dem Leben der beiden Apostelfürsten dar, und zwar
drei aus dem Leben des heiligen Petrus und vier aus dem Leben des heiligen
Paulus. Das vierte Petrusbild ist längst verschollen. Da der szenische Inhalt
der Gemälde für die Rekonstruktion des Altars von Wichtigkeit ist, geben
wir zunächst eine kurze Beschreibung der Bilder, die um so mehr angezeigt
ist, als dabei die ikonographische Seltenheit einiger Szenen und die für
dieselben maßgebenden legendarischen Quellen nicht unberührt bleiben
können.
Betrachten wir zunächst die Bilder der Petruslegende! Das erste Bild
(Abb. 1) behandelt den Sturm auf dem Meere und den Gang Petri auf dem
Wasser nach den Worten des Evangeliums Matthäi (14, 24-31). Die Kom-
position faßt die beiden Momente zu einem Ganzen zusammen. Zur Linken
sieht man in einem Schiff mit gerefftem Segel Petrus, der sich mit der
Rechten an den Mast klammert und mit Hehendem Blick und bittender Ge-
bärde die Linke gegen Christus wendet, als wollte er sagen: „Wenn Du es
bist, Herr, so heiße mich auf dem Wasser zu Dir kommenü" Rechts neigt
sich zu dem in den Wellen halb versinkenden Apostel Christus, der ihn mit
der rechten Hand zu sich emporzieht. Die beiden Schriftbänder nach Matthäi
14, 30 und 31: „Domine saluü me fac" und „Modice fidei quare dubitasti"
bestimmen die momentane Situation näher. Der Hintergrund bietet links Aus-
blick auf eine bergige Küstenlandschaft mit einer mit Türmen, Toren und
Mauern befestigten Stadt, aus deren Mitte ein in phantastischen Formen
errichteter Turm hervorragt. Das Meer, nur mit leichten sich kräuselnden
Wellen bedeckt, ist von zahlreichen Segelschiffen, die sich im Wasser
' In betreff der photographischen Aufnahmen bemerke ich, daß rnir solche erstmals vor reichlich zwei
Jahren von Herrn Bildhauer Sebastian Osterrieder-Mllnchen unterbreitet wurden. Er hatte sie selbst gele-
gentlich einer Palästinareise gefertigt in der Überzeugung, daß die Gemälde einer bayrischen, speziell der
Landshuter Schule angehörten, weil auf einem der Bilder das Wappen Landshuts vorkomme und eines der
Stidtebilder dem Landsbuts mit der St. Martinskirche entspreche. Waren diese Annahmen auch verfehlt, so
kommt Osterrieder immerhin das Verdienst zu, durch die Photographien erstmals die Anhaltspunkte zur
weiteren Untersuchung geboten zu haben. Unter Ablehnung seiner Anschauung habe ich unter anderem Oster-
rieder auch auf die Zugehörigkeit der Bilder zu der Tratzherger Tafel hingewiesen. Dienstliche Gründe ver-
hinderten mich zunächst an der eingehenderen Bearbeitung der Bilder, beziehungsweise der Photos, zu der ich
anfangs dieses Jahres durch Herm Hochschulprofessor Dr. Bernhard Sepp-Regensburg aufs neue angeregt
wurde. Genanntem Herrn verdanken wir die unserem Aufsatze zugrunde liegenden neugefertigten Aufnahmen.
Der Aufsatz war inhaltlich vollkommen abgeschlossen, als jener von Oskar Döring, „Neues über ein Tiroler
Altarwerk des XV. jahrhunderts" in „Die christliche Kunst", Vlll (rgxz), S. 30x, erschien. Für die Untersuchung
des Altars und seine Stellung in der Pacherfrage bot diese vorwiegend deskriptive Behandlung der Tiberias-
bilder nichts von Belang. so daß es mir nur erübrigte, in Fußnoten eine Reihe von Berichtigungen u. E. bei-
zufügen.
""' Döring a. a. O. erblickt. in vollständiger Verkennung der echt mittelalterlichen Zwießltigkeit des
szenischen Inhalts dieser Bildtafel. in dem Mann im Schiffe nur einen „Apostelf