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Volltext: Monatszeitschrift XV (1912 / Heft 11)

entwickelt sich erst mit der Zeit, sei diese nun einmal kürzer, einmal länger. Wir 
halten es für keinen Fehler, sondern für einen Vorzug, wenn der Meister sich 
auch in seinen Schülern verrät; wir glauben aber auch, daß nur ein ungeschulter 
Blick oder ein unfähiges Auge nicht erkennen wird, wie sich in den Arbeiten 
der einzelnen Schüler hier im Stillen doch schon Eigenart kenntlich macht. 
Betrachten wir selbst den gemeinsam gearbeiteten Altar, so verrät das 
Mittelstück, die Szene am Kreuze von Karl Borschke, doch schon einen 
etwas andern Geist und andere malerische Auffassung als die „Ver- 
kündigung Mariens" von Karl May, als „Das letzte Abendmahl" von 
Andreas Harsch, als „Das Pfingstfest" von Ferdinand Kitt oder „Die Krönung 
Mariens" von Leopold Zlabinger. 
Hervorheben möchten wir noch den „Heiligen Klemens Maria Hof- 
bauer" von Karl May an der Außenseite des Altars. Der feine Diplomaten- 
kopf dieses Heiligen ist hier zwar in Anlehnung an das einzig erhaltene 
alte Bildnis wiedergegeben, aber doch wird niemand sagen, daß dies eine 
unselbständige Arbeit sei. Mancher wird hier vielleicht die Sonderart dieses 
großen Heiligen und Seelenkenners zuerst erkannt haben. Dieser Mann war 
wirklich imstande, andere zu durchschauen und so den Weg in ihr Inneres 
zu finden. Wie konventionell sind dagegen die üblichen Asketendarstellungen 
dieses großen und heiligen Mannes! 
Von Borschke ist noch ein trefflicher „Heiliger Bonaventura", von Bruno 
Sykora ein „Heiliger Basilius" und von Karl May ein ausgezeichneter Karton 
„Der Gang nach Emaus" hervorzuheben. ' ' 
Freuen wir uns, daß wir eine Schule haben, die ihre Aufgabe so ernst 
nimmt. Mögen sich die jungen Leute in ihrer weiteren Entwicklung auch 
noch so wandeln, sie werden einen gediegenen Grund zur technischen und 
seelischen Ausbildung gelegt haben. 
Wer Entwicklung verfolgt und vertrauensvoll in der Seele junger Leute 
zu lesen vermag, der wird hier die Keime der Zukunft gewahren, und so können 
wir die Ausstellung mit dem beruhigenden Gefühle verlassen, daß in ihr 
nicht zufällig mehr oder weniger gelungene Werke mehr oder weniger 
begabter Schaffender vereinigt sind, sondern daß es sich hier um eine grund- 
legende Arbeit handelt, deren Früchte, wie gesagt, zum großen Teile aller- 
dings erst reifen müssen. Es wäre darum aber auch der größte Fehler, die 
begonnene Tätigkeit jetzt einfach ruhen zu lassen. 
Auch wird derjenige, der die wirklichen Verhältnisse auf dem kirchlichen 
Kunstgebiete kennt, das Gebotene nicht zu wenig finden. Man mußte erst die 
Künstler hervorsuchen, man mußte die äußeren Mittel auftreiben. Denn man 
wollte vor allem Werke veranlassen, die wirklichen Zweck haben; daran lernt 
der Schaffende ja am meisten. Und es wurde so eine ganze Reihe großer Auf- 
gaben zustande gebracht, für die eine fast dreijährigeVorbereitungszeit eher zu 
kurz als zu lang war. Man denke nur, was eine Altarwand von insgesamt 
mehr als 8o Quadratmetern allein für Vorbereitung erfordert oder eine fast 
ebenso große Altarnische, ein mächtiger Altar, eine große Kanzel oder ein
	        
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