Abb. 1. Der Verduncr Altar im Stift Klostcrneuburg bei Wien. Ursprünglich als Kanzelverklcidung vom Meister Nikuiuu; von Vardu
jahre H81 voll-endet, wurde dieses Kunstwerk im Jahre 1331 zu einem Flügelaltar umgebaut.
DER
VERDUNER
ALTAR
Von FL(
IRI
JUS RÖH
Wir sind heute gewohnt, große Kunstwerke in Museen zu su-
chen und zu besichtigen. Fast empfinden wir es als entwürdigend,
einen hervorragenden Kunstgegenstand in der Verwendung zu
sehen, für die er geschaffen wurde, und man findet es lästig,
dadurch in seinem Genuß gestört zu werden. Und man sollte
doch dafür dankbar sein, daß diese Dinge noch nicht zur Kon-
serve geworden sind, daß sie in ihrer ursprünglichen Verwendung
lebendig bleiben konnten, daß ihre unmittelbare Wirkung cr-
halten geblieben ist. Dafür kann man leichten Herzens einige
Unbequemlichkeiten in der Besichtigung eintauschen. Dies gilt
vor allem für Werke der kirchlichen Kunst. So auch für eines
der bedeutendsten Kunstdenkmäler Österreichs, den sogenannten
„Verduner Altar" im Stift Klosterneuburg. Als Grabaltar an der
Begräbnisstätte des hl. Markgrafen und Landespatrons Leo-
pold III. ist er nicht nur ein Gegenstand der Kunstbetrachtung,
sondern in erster Linie auch Mittel des Kultes und der Andacht.
Die Bezeichnung „Verduner Altar" wurde im vorigen jahrhun-
dert geprägt und beibehalten. Eigentlich ist der Name unzu-
treffend, denn Verdun ist zwar der Geburtsort des Künst
das Werk hat aber sonst keine Beziehung zu dieser Stadt. Ü
dies war es ursprünglich kein Altar. Propst Wernher von Klos
neuburg (1168-1194) gab ihn bei dem berühmten Goldschr
und Emailleur Nikolaus von Verdun als Kanzelverkleidun;
Auftrag. Nach Angabe der Widmungsinschrift vollendete Me
Nikolaus scin Werk im Jahre 1181, sicherlich an Ort und St
und schmückte damit die Brüstung der Kanzel, die wie ein
dachin den Kreuzaltar der Stiftskirche bekrönte. An dieser S
blieben die Emailtafeln bis zum 13. September 1330, al
Klosterneuburg eine Feuersbrunst ausbrach und das Stift
völlig in Asche sank. Mit knapper Not konnte das Tafelv
dadurch aus den Flammen gerettet werden, daß man es
Wein übergoß. Als Propst Stephan von Sierndorf (1317-1
das Stift wiederherstellte, ließ er die Emailtaleln des Niko
von Verdun zu einem Flügelaltar umbauen, wobei sechs r
Tafeln hinzugefügt wurden. Damals kamen auch die vier T
peragemälde in giottesker Manier auf die Rückseiten der Al