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ÜBER BAUKUNST UND HANDWERK IN
SCHLESWIG-HOLSTEIN UND DANEMARK
VON HARTWIG FISCHEL-WIEN St!
IE deutschen Gebiete der Halbinsel Jütland und die
dänischen Inseln bilden trotz großer politischer
Gegensätze ein zusammenhängendes Kulturgebiet.
Mannigfaltige Stämme von zäher konser-
vativer Gesinnung, mit ihrem Heimatlande ver-
wachsen, mischen sich hier oder hausen neben-
einander.
Nördlich der alten vielurnstrittenen Grenze
zwischen dem deutschen und dem dänischen
Machtgebiet (dem Danewerk) sind auf verhältnis-
mäßig beschränktem Boden die Nachkommen
der alten Friesen, Angelsachsen und Jütländer zu Hause; die Niedersachsen
schließen sichsüdlich an. Enge Handelsbeziehungen mit den Niederlanden
und Holland haben westliche Einwanderungen begünstigt.
Das einst so kriegslustige und expansionsbedürftige Dänenvolk, das
den Sund bewacht, hat mit seinen skandinavischen Stammesbrüdern, den
Schweden und Norwegern, stets in engem Kontakt gelebt, zeitweilig auch ein
gemeinsames I-Ierrscherhaus besessen.
In diesen Ländern ist der Sitz der ältesten Ausläufer nordgermanischer
Ansiedler und alle diese Völker lieben es, auf das Alter, die Ursprünglichkeit
und Kraft ihrer Stammestraditionen hinzuweisen. Sie pflegen die Erinnerung
und freuen sich an den Kulturüberresten ihrer Vorfahren.
Zugleich ist diesen Völkern gemeinsam, daß ein engerer Zusammen-
hang zwischen dem Bauernstand und den höheren Schichten d_er Bevöl-
kerung bestand, daß eine größere persönliche Freiheit und Macht, ein
stärkeres Selbstbewußtsein wie im Innern des Kontinents den Trägern der
bäuerlichen Kultur eigen war.
Während die aristokratische Kultur der nordgermanischen und skandi-
navischen Gebiete von derjenigen der südlichen und westlichen Kulturträger
Europas stark abhängig blieb und nicht den Glanz einer bedeutungsvollen
Selbständigkeit erwarb, ist der eingebornen, bodenständigen, bäuerlichen
Kultur, der Volkskunst des Nordens, eine eigenartige Entwicklung und
Bedeutung zuzuschreiben.
Diese Verhältnisse haben auch die Aufsammlung und Konservierung der
Denkmäler der Bauernkunst gefördert. Schweden ging voran, Norwegen,
Dänemark folgten. Das schleswig-holsteinische Gebiet ist nicht zurück-
geblieben. Eine ganze Reihe von trefflichen Sammlungen bewahrt wertvolle
Innenräume vor dem Untergang, vereinigt die kunstgewerblich und kultur-
historisch bedeutungsvollen Einzelobjekte. Es gibt zahlreiche Volkskunst-
sammlungen im Norden. Dem Ansässigen und Eingeweihten trennen sich