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Volltext: Monatszeitschrift XVI (1913 / Heft 1)

mittelalterlich deutsche Kunst hat die Schlichtheit und Ruhe ihrer Figuren 
mit der altgriechischen gemein, aber auch das Geheimnis der Größe in 
dieser Schlichtheit und Ruhe. Beide Völker waren jugendliche, in deren 
warmer Seele die Gebilde blühten undvon da wie mit Unbewußtheit zur 
Außenwelt gelangten. Wo das ideale Gefühl nicht in den Herzen ist und 
sich in beredtem Stammeln erkennbar und zündend Luft macht, dort wird 
die prachtvolle Redekunst und die Menge der Worte angewendet, und 
sie ist Kälte und erzeugt Kälte." 
Wie dem freundlichen Ernst der Wolfgangstatue jenes Allegro musi- 
zierender Engel am Sockel beigesellt war, so wird hier das Pathos der 
Petrusdarstellung durch ein übermütiges Scherzo balgender nackter Putten 
gemildert, denen zwei Kameraden aufspielen (Abb. I 5). Die auf empor- 
strebendem Blattwerk ruhenden sitzenden und kauernden Figürchen sind so 
angeordnet, daß das aufspielende Pärchen je ein raufendes Pärchen zur Seite 
hat. (Höhe des Sockels 28 Zentimeter.) Links erwehrt sich ein Putto mit 
Händen und Füßen der Attacke seines Gefährten, und ähnlich ist die balgende 
Gruppe zur Rechten komponiert. Von den Spielenden vorne bläst der eine 
die (fehlende) Flöte, während der andere ein Becken schlägt, beide blicken 
fröhlich, mit glänzenden Augen (die vorgewölbten Augäpfel fangen viel 
Licht) auf den Beschauer heraus. Bei der Bildung dieser Kinderkörper hat 
der italienische Renaissanceputto ersichtlich zu Pate gestanden, obwohl die 
gotische Herbigkeit der Form noch lange nicht überwunden ist. Ob die 
Raufszenen eine scherzende Anspielung auf den streitbaren Charakter des 
Apostelfürsten enthalten sollen? Es wäre der Feierabendlaune des Meisters, 
dem diese Spiele müßiger Stunden, diese Passatempi ebenso wie manche 
übermütige Engelsfigur entsprossen sind, wohl zuzutrauen; an ihnen hat 
sich der Künstler von dem Ernst der großen Werke ausgeruht. 
Die Heiterkeit tanzender und musizierender Engel umspielt auch das 
männliche Pathos des Apostelfürsten (Abb. 16 bis 19). Vergebens scheint ein 
würdiger, untersetzter Alter in Vollbart und Turban (irgendein Patriarch 
oder Prophet) dem ausgelassenen Übermut der Engeljugend Einhalt gebieten 
zu wollen; weder sein Gegenüber, der Tänzer, kehrt sich daran, der den 
Chorrock im Tanzschritt kokett aufhebt, so daß das ganze rechte Bein nackt 
zum Vorschein kommt, noch der Posaunenbläser in geschlitztem rotgesäum- 
ten Mantel, noch der lustig sich windende Flötenspieler, der den Spitzbuben 
so wenig verleugnen kann wie der Posaunenbläser; beide haben die 
charakteristische aufstrebende spitz zulaufende Nase. (Maße: 44 Zentimeter, 
38-5 Zentimeter und 3g'5 Zentimeter; bemalt die Augen, Lippen, Kollare, 
beim Posaunenbläser auch der Gewandsaum.) 
Die Knabengestalten sind wieder virtuos geschnitten, ganz besonders 
der Flötenspieler mit der hohen Wespentaille ; hier sind die großen Steilfalten 
3 Zentimeter tief unterschnitten und enden in scharfe, papierdünne Stege. 
Neben dem Kirchenpatron St. Wolfgang und dem Apostelfürsten Petrus 
ist dem Namenspatron des Erbauers der Kirche, dem heiligen Christophorus,
	        
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