Musterung der Stoffe zeigen seinen echt deutschen Fleiß und seine lebhafte
Freude am kleinsten in der Natur."
Auch die Schilderung der Gewandbehandlung mit ihren „langen
Faltenzügen, die plötzlich rechtwinkelig abbrechen, mit scharfkantigen
Flächen und schmalgratigen Faltenhöhen", „den langen Zugfalten, die der
Bewegung des Körpers folgen", „dem geschwungenen flattemden Zipfel,
der den Zweck hat, einen Stab, der mit seiner ununterbrochenen Linien-
richtung die Harmonie stören oder die Bewegung der Figur verschleiern
würde, teilweise zu decken" (vgl. die Petrus- und Christophstatuei), paßt,
vortrefflich auf unseren Altar, wie auch die Bemerkung über die „Arbeiten
der guten Zeit, die eine höchst harmonisch-rhythmische, abgestufte Falten-
anlage zeigen, wobei die einzelnen Züge und Bauschen aufs sorgfältigste
gegeneinander abgewogen sind". „Ein beliebtes Motiv ist der in sich zurück-
laufende, vom Winde umgeschlagene Mantelsaum, der bei dem Chormantel
der Bischöfe und den Chorkleidchen der fliegenden Engelgestalten vor-
nehmlich Anwendung Findet" (tatsächlich zeigen die Pluviale Wolfgangs
und Petrus' sowie die Mäntel der fliegenden Engel dieses Motiv).
„Bei allen eigenhändigen Arbeiten ist gemeinsam die feine und
gewissenhafte Behandlung der Hände. Ausnahmslos hat der Meister lange,
schmale, dünniingerige Hände gebildet; bei den Männern sogar meist über-
mäßig mager (Christoph! Florianl), die Adern und Knochen unter der Haut
zeigend, aber voll Kraft und Charakter."
„Ebenso durchgebildet und wohlverstanden sind meist seine Füße
gearbeitet", wo sie nackt sichtbar werden, wie die wunderbar durch-
gearbeiteten Füße Christophs.
In der Betrachtung der Riemenschneiderschen Kopfbildung führt
Tönnies zunächst aus, daß der Meister sich nicht bemüht, tiefgehende
Unterschiede in der Kopf- und Gesichtsbildung zu geben, soweit er nicht
porträtmäßig vorgeht (wie offenbar an den fünf großen Einzell-iguren unseres
Altars). Tatsächlich ist uns die Einförmigkeit der Kopftypen in den Reliefs,
an den Engeln (mit dem immer wiederkehrenden kecken Knabenantlitz)
und an den Frauengestalten im Giebel aufgefallen; ja die beinahe rhythmisch
wirkende Wiederholung ein und desselben Kopftypus in den nebeneinander-
stehenden Gestalten der Katharina und Barbara gemahnt aufs lebhafteste
an die berühmte „Doppelmadonna" von Riemenschneider im Städtischen
Museum zu Würzburg, wo ganz augenscheinlich die gleiche rhythmische
Wirkung beabsichtigt ist.
Wieder denken wir vor allem an die Reliefs, wenn Tönnies fortfährt:
„Seine sämtlichen männlichen Gestalten scheinen ein und derselben Familie
zu entstammen, es sind alle Brüder, die sich durch Alter, Barttracht und
Haarschnitt unterscheiden. Allen ist ein ernst grüblerischer oder wehmütig
empfindsamer Zug eigen. Einfache Bürgersleute, deren Arbeitsfeld weniger
auf dem geistigen Gebiet zu suchen ist und denen das Denken immer etwas
Schwierigkeit bereitet, führt er uns vor. Alle seine Gestalten sind mit reichem