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Volltext: Monatszeitschrift XVI (1913 / Heft 1)

Musterung der Stoffe zeigen seinen echt deutschen Fleiß und seine lebhafte 
Freude am kleinsten in der Natur." 
Auch die Schilderung der Gewandbehandlung mit ihren „langen 
Faltenzügen, die plötzlich rechtwinkelig abbrechen, mit scharfkantigen 
Flächen und schmalgratigen Faltenhöhen", „den langen Zugfalten, die der 
Bewegung des Körpers folgen", „dem geschwungenen flattemden Zipfel, 
der den Zweck hat, einen Stab, der mit seiner ununterbrochenen Linien- 
richtung die Harmonie stören oder die Bewegung der Figur verschleiern 
würde, teilweise zu decken" (vgl. die Petrus- und Christophstatuei), paßt, 
vortrefflich auf unseren Altar, wie auch die Bemerkung über die „Arbeiten 
der guten Zeit, die eine höchst harmonisch-rhythmische, abgestufte Falten- 
anlage zeigen, wobei die einzelnen Züge und Bauschen aufs sorgfältigste 
gegeneinander abgewogen sind". „Ein beliebtes Motiv ist der in sich zurück- 
laufende, vom Winde umgeschlagene Mantelsaum, der bei dem Chormantel 
der Bischöfe und den Chorkleidchen der fliegenden Engelgestalten vor- 
nehmlich Anwendung Findet" (tatsächlich zeigen die Pluviale Wolfgangs 
und Petrus' sowie die Mäntel der fliegenden Engel dieses Motiv). 
„Bei allen eigenhändigen Arbeiten ist gemeinsam die feine und 
gewissenhafte Behandlung der Hände. Ausnahmslos hat der Meister lange, 
schmale, dünniingerige Hände gebildet; bei den Männern sogar meist über- 
mäßig mager (Christoph! Florianl), die Adern und Knochen unter der Haut 
zeigend, aber voll Kraft und Charakter." 
„Ebenso durchgebildet und wohlverstanden sind meist seine Füße 
gearbeitet", wo sie nackt sichtbar werden, wie die wunderbar durch- 
gearbeiteten Füße Christophs. 
In der Betrachtung der Riemenschneiderschen Kopfbildung führt 
Tönnies zunächst aus, daß der Meister sich nicht bemüht, tiefgehende 
Unterschiede in der Kopf- und Gesichtsbildung zu geben, soweit er nicht 
porträtmäßig vorgeht (wie offenbar an den fünf großen Einzell-iguren unseres 
Altars). Tatsächlich ist uns die Einförmigkeit der Kopftypen in den Reliefs, 
an den Engeln (mit dem immer wiederkehrenden kecken Knabenantlitz) 
und an den Frauengestalten im Giebel aufgefallen; ja die beinahe rhythmisch 
wirkende Wiederholung ein und desselben Kopftypus in den nebeneinander- 
stehenden Gestalten der Katharina und Barbara gemahnt aufs lebhafteste 
an die berühmte „Doppelmadonna" von Riemenschneider im Städtischen 
Museum zu Würzburg, wo ganz augenscheinlich die gleiche rhythmische 
Wirkung beabsichtigt ist. 
Wieder denken wir vor allem an die Reliefs, wenn Tönnies fortfährt: 
„Seine sämtlichen männlichen Gestalten scheinen ein und derselben Familie 
zu entstammen, es sind alle Brüder, die sich durch Alter, Barttracht und 
Haarschnitt unterscheiden. Allen ist ein ernst grüblerischer oder wehmütig 
empfindsamer Zug eigen. Einfache Bürgersleute, deren Arbeitsfeld weniger 
auf dem geistigen Gebiet zu suchen ist und denen das Denken immer etwas 
Schwierigkeit bereitet, führt er uns vor. Alle seine Gestalten sind mit reichem
	        
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