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Volltext: Monatszeitschrift XVI (1913 / Heft 1)

geschlossen und streng, dazu voll Abwechslung seine Meer- und Dünenpastelle, stäubig, 
flimmernd und fugitiv. Struck zeigt die Erinnerung seiner Amerikafahrt, die für die Graphik 
so dankbaren Wolkenkratzerrnotive Newyorks und weiter die weichen Winterstimmungen 
deutscher Berge, Baumig, in weißem Schneegefieder. Lovis Corinth brachte von seinem 
Rekonvaleszentenaufenthalt an der Riviera Studien von Palmen und exotischen Gärten mit 
von tropischer Schwüle, einem stechenden Grün, einer wucherischen Üppigkeit. Man fühlt 
schwelende Hitzwellen darübergehen und denkt an Parsifalverse: 
Wohl sah ich Wunderblumen stehn, 
Die bis zum I-lalse süchtig mich umrankten . . . 
Orlik produziert sich in all seinen Vielseitigkeiten: im Porträt (mehrere Variationen 
Ferdinand l-lodlers), im dekorativen Akt, in Pariser Reminiszenzen (Flur vorn Hotel Quai 
Voltaire mit Rundstiege) und der neuesten Weise seiner westöstlichen Neigung, dem 
Chinesischen; doch bleiben diese Chinafrauen in der oblatenhaften Musterung ihrer 
Gewänder etwas illustrativ. Von Munch fällt der Kopf eines alten Mannes auf in den 
Parallelismen der Bartsträhnen und der Längsfurchen des Gesichtes. Die Mittel des 
Holzschnittes liefern hier organisch die Züge zur Charakteristik des Greisenantlitzes 
und steigern sie ins typisch Legendarische. Kubin beschwört Alltagsgespenster. Wie 
Gesichte seines Romans wirken die Blätter: die Roßschlächterei mit dem am Seil des 
Krans zuckend baumelnden Gaul voll Elendatmosphäre und voll des Stöhnens der gequälten 
Kreatur; der Erdstoß mit seinen im fürchterlichen Taumel durcheinanderwankenden 
Menschen und Häusern, die gräBlich-komischen Lustigkeiten der „Maisons" mit ihren 
Fratzen des Lebens. Willi Geigers Corrida-Radierungen wehen alle Erregungen des 
Stierkampfes in die Sinne. Er handhabt seine Nadel Hitzend und tödlich sicher wie der 
Toreador seinen spitzen Degen, und mit souveräner Raumkunst macht seine Schwarz- 
Weißtechnik die blendende Helle der Arena fühlbar, durch die wie Blitze die Bewegung 
der Menschen und Tiere daherzuckt. Hans Meid, der sich selbst mit bebrilltem Schul- 
meistergesicht vorstellt, schlägt eine Don juan-Bühne auf und begleitet Mozart mit vierzehn 
Radierungen. Dunkel, weich, zärtlich und voll leidenschaftlichen Temperaments, und vor 
allem packend in der szenischen Stimmung und der helldunklen Beleuchtung, den Wind- 
lichtern vor Kirchengittern, dem gescheucht wogenden Kerzlenmeer beim Tumult nach 
dem Menuett und jenem Notturno zweier Menschen in schwingender Nacht voll Lockung 
und Verführung: Komm auf mein Schloß mit mir!" 
Das russische Ballett lockte Kainer zu Impressionen; auch Ernst Oppler, der die 
Farbenmagie, die art du feu, wie durch lumineuse Flöre festhielt; Emil Weiß aber reizte 
die Bewegung und er studierte vor allem den schwebenden, sich abschnellenden und gleich 
Euphorion - doch ohne abzustürzen - dem Erdboden entweichenden Nijinsky. 
Der sehr begabte Fritz Lederer kommt diesmal nur mit einer Radierung, einer Land- 
schaft, sehr eigen gesehen und graphisch erfaßt in ihrer Bergumrahmung, der ebenen 
Mitteliiäche, die in ihrer Horizontaldehnung durch Serpentinenwege schlänglig geschnitten 
und durch die Vertikalen von Bäumen und Essen akzentuiert wird. 
Auch den Neuesten (aus der Sphäre der Neuen Sezession, die als Gruppe äußerlich 
bereits zersprengt) hat man die Türe geöffnet. 
Max Pechstein erscheint mit Holzschnitten von Kähnen, sich wiegenden Silhouetten, 
die sich weich und schwarz in die weiße Fläche schneiden. 
Das Primitive und Ethnographische spielt in dieser Gruppe eine Rolle. Der „Medizin- 
mann" von Bolz wirkt wie das Ornament auf einem. javanischen Tonkrug. Lehmbrucks 
Frauenbilder sind ganz archaisch; phönikisch erscheinen sie und auch an die frühen kerami- 
schen Skulpturen aus dem neu erschlossenen Palast von Kreta erinnern sie. 
Und parodistisch spiegelt sich diese Welt in den Lithographien von Artur Degner, 
der groteske Typen a la Zille nackt in stilisierter Stellung in archaisch gestrichelte Land- 
schaften setzt. 
" Verlag Paul Cassirer.
	        
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