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Volltext: Monatszeitschrift XVI (1913 / Heft 1)

Es wird ein interessantes Schauspiel geben, wenn Cassirer, der neue Präsident der 
Seiession, seinen Plan verwirklicht und im nächsten Jahre einen Herbstsalon für die 
jungen macht - als Revanche für den Frühlingssalon der Alten. F. P. 
BERLIN. JÜRYFREIE KÜNSTSCHAÜ. Diese dritte Ausstellung der Jury- 
freien, die in Berlin im neuen Lepke-Haus stattfindet, wirkt beim ersten Eindruck frei- 
lich etwas grotesk durch die allerengste Nachbarschaft altbackener Familiendilettantismen 
(gemütliche Löwenköpfe, Bauer mit Pfeife, der Sanitätsrat, der das kranke Kind behorcht) 
mit dem wildesten Farbengeprassel moderner kunstrevolutionärer Bombenwerfer. Aber 
man kann die langweilige Hälfte bequem links liegen lassen und bekommt dann doch einen 
orientierenden Eindruck über manche neuen Bestrebungen, mit denen jedenfalls - gleich- 
gültig, wie man sich persönlich zu ihnen stellt _ heut gerechnet werden muß. 
Ich möchte aufzeichnen, was mich teils durch Qualität, teils durch das Experimentelle, 
durch das Versuchende neuer Ausdrucksformen, interessiert hat. 
Josef Batö, ein Ungar, zeigt in seinen Schiffern an der Reeling lehnend, von hinten 
gesehen, eine breitstrichige Flächenmalerei; an den Bauern-Breughel erinnert das und 
somit auch an die Plakatkunst, und man kann an das PlakatVlissingen-Queenborough denken. 
Energisch modelliert ist die alte Frau von Ida Kerkovius. Die Landschaft von Dore Stetter 
mit ihren grünen und in weißen Dolden blühenden Bäumen zeigt in den bewegten Wipfeln 
lebendig beschwingten Rhythmus. Der rote Mohn gegen lila Hintergrund hat das Charakte- 
ristisch Seidig-Knitterige, Kreponhafte der Blätter, und das Mädchen am Dünensand, gelb- 
rötlich, lichterüberspielt, ist voll leuchtender Helle und See-Atmosphäre; man fühlt 
Mörickes Orplid-Verse: „Vom Meere dampfet dein besonnter Strand." 
Ein Außenseiter, der Schauspieler Gebühr, produziert sich mit dem Porträt eines Herrn 
von Falstaffscher Fülle und trifft das Strotzende, Rostbeefhafte, schwer dahin sich 
Wälzende des Wanstes gut. Stark ist das Bildnis des Komponisten Edgar Varise von 
Luc. Albert Moreau: ein fanatisch ekstatischer Kopf, dem Mönch auf Giorgiones Konzert 
verwandt in grau tonigen Harmonien, und voll Delikatessen das prickelnde Porträt in Grün 
der Schauspielerin Sybil Smolova von Max Rappaport. 
Koloristiken besonderer Art, leidenschaftliche Farbenräusche schlagen aus den Bildern 
junger Maler. Die religiösen Kompositionen von Eberz funkeln emailhatt. Die Dresch- 
maschinen von Emmi Golzmann-Conrad haben in der farbigen Aufmauerung der Getreide- 
haufen etwas I-Iitzig-Schwelendes, der Holzplatz von Heckendorf (von der Ausstellung 
„Stätten der Arbeit" bekannt) ist eine mittagsheiße Sinfonie in Gelb. Größer aber in 
Konzeption und Aufbau wirkt desselben Künstlers „Brücke", der Eisenbogen überspannt im 
I-Ialbrund rahmend temperamentvoll empfundenes, in schäumiger Koloristik zischendes 
Wassergewoge, gischtige, blaugrüne, zerklüftete, gurgelnde Strömungen. 
Eminent malerisch sind die Artistenbilder von Lene Kainer in ihren fließenden, 
schwimmenden, zur Gestalt zusarumenliutenden Farben. 
Fiebemdes Temperament voll Explosionsgeladenheit steckt in Segalls Nacht- 
impressionen vom Potsdamerplatz: lumineuse Visionen, eine art du feu zerstiebender Licht- 
elTekte, versprühender Scheine, eine Großstadtromantik. Nicht gelungen aber ist das große 
Figurenbild „Die Verzweifelten", zu dem sich Vorstudien in der gleichzeitigen Segall- 
Ausstellung des „Sturmes" finden. Es sollen hier - man denkt dabei an Munch - Affekte 
in Farben und Gebärden ausgesprochen werden. Bei den Frauengestalten wird das erreicht. 
Verderben aber wird es durch die kleinlich realistische Type des Vollbartmannes, der nicht 
ohne eine gewisse „DustereW-Komik in sich verhockt dasteht. Ähnlich geht es Hans 
Michaelson mit dem „gestreiften Tuch". Das ist ein Interieur, aufgelöst in farbige Phänomene 
von Kringellinien, darin zwei Figuren, die eine im gestreiften Tuch. Der Eindruck des Bildes, 
das offenbar räumliche Wirkung rein durch den Zusammenklang koloristischer Glissandos 
schaffen möchte, wird durch die Nebenabsicht geschmälert, die bei den Köpfen nach bürger- 
licher Porträtähnlichkeit strebt. Zwei Stile liegen sich hier widerspruchsvoll in den Haaren.
	        
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