in den Korridorgängen halbhohe Postamente mit Lichtvasen, die hier eine ganz deplacierte
Schinkel-Stimmung geben. Das Promenoir des ersten Ranges, in dem sich an diesem Abend
Berlin W-Eleganz bewegte - Schleppen wie Eidechsengeschlängel oder gespaltene
Schwalbenschwänze; Raff- und Drapierungsgewänder, schmelzbeladen; Reiher in Haar und
Federn gesteckt wie Indianerschmuck; die Herren im Frack mit leider recht outrierten
Westen im Überbrettlstil, den stumpfen Klapphut tief im Genick - das Promenoir für
dieses mondän-karikaturistische Bild schien kläglich mesquin. Die Mittel hatten wohl nicht
gereicht; keine Teppiche; Linoleum, roher Maueranstrich, durch den der feuchte Wand-
aussatz durchschlug; unverkleidet die nackten Heizkörper; wenig erfreuliche Nudität, Hinter-
hausstil. Dazu auf dem Treppenpodest ein tragikomisches Wiedersehn: als Wandbild
entdeckte man die „befreite Phantasie" des Professors Gräf, dessen Modellprozeß um
das Märchengemälde in den achtziger jahren eine Affäre für Berlin war. Der schöne nackte
Körper dieser Phantasie war immerhin erfreulicher als die nackten Heizkörper, aber auf
welchen Fatinitza-Irrwegen mag er in dies Groß-Berlin verschlagen worden sein.
Den Zuschauerraum hat der Architekt Biberfeld in einer zu dieser Sphäre passenden
mittemächtigen Exzentrik-Bar-Manier ausgebaut und dekoriert. Die Flächen der Wände
und Rangbrüstung nicht glatt, sondern rillig, voll nervöser Unruhe; Farben: mattlila mit dem
Akkord von Metallnägelbeschlag. Rechts und links von der Bühne die mächtige Auswölbung
einer Loge, groß wie die Empore eines Tanzorchesters, überspannt von grünem, gelb-
ausgeschlagenem Seidenhimmel. In Voutenfihrung darüber durch die Niedrigkeit des
Raumes gedrückt wirkend die Decke, hellgelb, mit ihrem dicht gereihten Lichteromament
aus Schalen wechselnd mit Röhrenzylindern.
Die Bühnenwand ist mit Kacheln ausgelegt inSchillertönen mit kapriziös und burleskem
zoologischem Zierat. Und in dieser Fließenwand öffnet sich im Rundbogenausschnitt
vom Rahmen mit metallischen Reflexen eingefaßt der Bühnenguckkasten, verkleidet mit
gelbschwarzer Gardine.
NEUE ARBEITEN LETTRES. Lettre hat in letzter Zeit einige interessante
Aufgaben großen Stils, die in unserer Zeit ja gegenüber dem Kleinzierat und dem
Gebrauchsgerät seltener sind, mit meisterlicher deutscher Kunst gelöst. Und es ist ein
erfreuliches Zeichen von Kultur, daß dies nicht freischöpferische Atelierarbeiten sind, sondern
ausBestellungen hervorgingen desAdels und des großindustriellen Patriziats. Für die Zedlitz-
Trützlersche Hauskapelle ein Abendmahlskelch aus vergoldetem Silber von reizvollster
Abwechslung der gezierten und der glatten Flächen: der Fuß ausstrahlend in der Form eines
Morgensterns, daraus aufwachsend als gewundene Säule der Schaft, auf seinen Windungen
wie auf einem gerollten Schriftband die Namen der Stifter, darüber der Kelch in glattem
Gold mit der Aufschrift, und gleich einer Bedachung darauf in ilacher Tellerform die Patene.
Ein monumentales Stück ist der große Pokal aus reinem Gold, den der Stahlwerks-
verband seinem Vorsitzenden stiftete. Auf einem Lapissockel baut er sich auf, ein kleiner
Rundturm, durch die schönen Flächen wirkend, mitfeinfühligverteiltem ziselierten Blattzierat,
auf dem Deckel ein kraftvoll modellierter Adler, großzügig und einfach wie die Adler auf
dem Bismarck-Denkmal. Sein eigenster Schmuckvon sinnvollstem Einfall aber ist das schmale
Band aus reinem harten Stahl, das sich in l-lalshöhe um den Goldkörper spannt und in
tauschierten Buchstaben die Dedikation trägt.
Und ein drittes Prunkstück der große Krupp-Gedächtniskelch mit dem reich orna-
mentierten Fuß, um den sich wie ein Maskenkranz ganz unkonventionell modelliert die
Köpfe von Arbeitern, Kraft- und Stoifsymbole, ziehen. Und als Krönung des Deckels in
kunstreichem Fassungsrahmen die Krupp-Medaille. F. P.
ÖLN. DEUTSCHE WERKBUNDAUSSTELLÜNG 1914. Zur Er-
K langung eines guten Entwurfes für ein Plakat der Deutschen Werkbundausstellung
ist ein Wettbewerb unter den Mitgliedern des Deutschen Werkbundes ausgeschrieben,
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