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Volltext: Monatszeitschrift XVI (1913 / Heft 2)

KLEINE NACHRICHTEN 50' 
AS WERK LOVIS CQRINTHS. Ein Malersmann, strotzend in Säften und 
Kräften und leuchtend im Gepränge farbiger Fülle, so tritt uns Lovis Corinth aus 
seinem Lebenswerk entgegen, das ihm Paul Cassirer jetzt in der Sezession aufgebaut. 
Eine schöne Huldigung des neuen Präsidenten für den Vorgänger, ihm so ohne ruhm- 
redige Feierlichkeit sachlich sein Spiegelbild zu zeigen: an seinen Werken sollt Ihr ihn 
erkennen, voilä un homme! 
Den starken Charakteristiker grüßt man vor allem. Wie alle Meister des Bildnisses 
war er immer neugierig auf seinen eigenen Wesenszug, und in wechselnden Verwand- 
lungen sieht man ihn hier. 
Auf einem frühen Porträt in Schlapphut, dunklem Rock, l-Iängeschnurrbart bis- 
märckisch anzuschauen. Dann oft im weißen Malerkittel mit unverhohlenem Vergnügen an 
der eigenen animalischen Robustheit, am vierschrötigen Gliederbau, am bloßen Stier- 
nacken, am viereckigen Schädel und dem derben Gesicht voll guten Hungers, das an 
Goethes Verse vom Künstler denken läßt: 
Faßt ein tüchtig Schinkenbein, 
I-Iaut da gut taglöhnermäßig drein 
Füllt bis oben gierig den Pokal 
Trinkt und wischt das Maul wohl nicht einmal. 
Einmal steht er im vollen l-lellicht auf einem Gitterbalkon, neben sich hängend am 
Eisenhaken das Skelett. Öfter aber als der Knochenmann ist ihm Frau Welt im üppigen 
Fleisch gesellt. 1 
Ein altes Motiv (Tizians Venus und Ritter im Prado, Böcklins Perseus und Andro- 
meda vertreten es zum Beispiel) reizt ihn: das Neben- und Aneinander des bekleideten 
Mannes und der nackten Frau. So hat er sich in bewußter Variation in der Rüstung 
gemalt, die seinem Landsknecht- und Kriegsgurgeltyp echt und gar nicht etwa attrappen- 
mäßig zu Gesicht steht. Und an das blanke Erz preßt sich die nackte Fülle und die leuch- 
tende Haut der Frau, die ihm den Kranz reicht, in malerischer Harmonie. 
Bei seinen Frauen muß man natürlich Rubens nennen. Corinth ist in diesem Punkt 
gut ilämisch. Er verzückt sich an allen Prächten der Leiblichkeit, und naturhaft vollkommen 
ist ihm die Frau erst als Mutter, mit dem nackten Kind an der vollen Brust. 
Dabei weiß sein im brutalen Körper äußerst sensibler Sinn auch solch weibliche 
Caprice, wie es Tini Senders verwirrend unregelmäßiges Gesicht mit der witzigen Nase 
ist, lebendig zu bannen. Von Männern begegnen Rittner als Florian Geyer mit der zer- 
schlissenen Fahne, aus dem Dunkel schwarz emportauchend im Verzweiflungsansturm, 
unterganggeweiht. Alfred Kerr in seiner starren Haltung, dicht umbartet, in der hohen 
altmodischen Krawatte, das Gesicht und die Augen aufwärts gereckt, davidsbündlerisch. 
Der feine zartfuhlende Dichter Graf Keyserling, dessen innere Schönheit äußerlich eine 
degenerierte Maske trägt. Peter I-Iille als moderner Ahasver mit weiten Blicken voll 
Traum und Elend unter Makulaturen. Mosson mit dem scharfen Trainergesicht voll 
Couleur. Ansorge mit seinem trotzigen deutschen Künstlerkopf, weiß gekleidet im Grünen. 
Man merkt oft wilde Instinkte in diesem Temperament. Es hat eine gierige Freude 
an Blut und Gemetzel. Das fleischige Chaos zusammengestürzter Leiber voll prasselnder 
Glieder, die Gewalt und Roheit der Kriegsknechte, die mit Schwert und Spieß darüber 
fährt, Schwären, Striemen, klaffende Wunden und Todeszucken reizen und werden 
unheimlich dargestellt. Voll fürchterlicher Gewalt, wahrhaft eine Blutrauschvision ist der 
rasende Simson, der brüllend, Hetschend, mit seinen geblendeten triefenden Augen, die 
wüsten Franken in den Eisenketten gefesselt, herantost. 
Im Werk dieses Vielseitigen fehlen auch die religiösen Stoffe nicht. Eine Grablegung 
malte Corinth mit der gleichen Inbrunst für das tote, fahle, bläuliche Fleisch, mit der er 
sich sonst dem lebendigen hingegeben. Und großzügig und von stärkster Eigenart ist das
	        
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