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Volltext: Monatszeitschrift XVI (1913 / Heft 2)

stellerische Ausbeutung dieser Studien dachte er zunächst nicht, sein Hauptzweck war nur 
Ergänzung und Belebung seiner Vorträge auf der Basler Universität, für die der sonst so 
sparsame Mann auch hier wie überall auf seinen Reisen auf seine Kosten massenhaft 
Photographien zum Vorzeigen einkauft: in London gleich 99 Stück um xoo Schilling. 
Über ein Porträt der Nationalgalerie gibt er eine ganze kleine Abhandlung, aus der 
in den oben erwähnten Aufsatz über das Porträt nichts übergegangen ist," die man also 
immer in deren Briefen wird nachlesen müssen. Das Bild stellt einen Kardinal dar, und 
Burckhardt charakterisiert es folgendermaßen: Dieser (verdrießliche alte) Kardinal „ist fürs 
erste ein Individuum aus den Jahren 1550 bis r 590 . . . Er ist ein Sechziger in einem mit 
Elfenbein ausgelegten Lehnstuhl und wenn man nach der Nationalität fragt, so ist er auf 
den ersten Blick am ehesten ein Deutscher, und zwar von reichem deutschen Adel, obwohl 
ohne alle Idealität. Er hat hundsrnäßig viel gesehen und auch einiges ausgestanden und 
rechnet allen Idealisten aus, wieviel Idealismus au fond in denselben steckt. Die Behandlung 
ist wie die eines Meisters, der alle möglichen Schulen kennt und sich diesmal A aber viel- 
leicht nur diesmal - alle mögliche Mühe gegeben hat." Alioth und seine Freunde würden 
vielleicht auf Granvella oder den Kardinal Charles de Guise raten. „Nein meine Herren, 
keiner von beiden, den Granvella kenne ich wie meinen Handschuh von dem Bilde des 
Musee de Besancon her und den Guise ebenfalls." Er gibt weitere Anhaltspunkte: „Der, 
welcher diesen roten Kragen und die weißen Byssusärmel gemalt hat, kannte auch wohl 
etwa ein Bild von Andrea del Sarto. Der, welcher diese wundervolle Hand - aber vielleicht 
nur diese gemalt hat, kennt vielleicht Arbeiten des Baroccio von Urbino, von dessen ersten 
Arbeiten 4 wer weiß? Er hat vielleicht eine ganze, noch dazu sehr ausgesuchte Galleria vor 
sich gehabt. Zuletzt ist er „frech" und entscheidet: „Es ist ein Bild von Josef Heinz und stellt 
etwa den Kardinal Dietrichstein, einen großen Diplomaten vom Hofe Kaiser Rudolfs II. und 
zugleich wohlbesoldeten heimlichen spanischen Parteigänger, das heißt Pensionär vor. Ich 
will nur beizeiten eine Priorität für meine Meinung konstatieren. Anno 72 im Belvedere sah 
ich das wundervolle energische Porträt Rudolfs lI., wahrscheinlich von Heinz, und seither 
glaube ich an die Möglichkeit von weiteren wundervollen provinzialen und momentanen Auf- 
trägen." Dieses Porträt wird unseres Wissens auch heute noch dem Heinz zugeschrieben, 
der ein gebürtiger Basler war und vielleicht schon als Landsmann für Burckhardt interessant 
war; er lebte als Kammermaler Kaiser Rudolfs von r 59x an in Prag, wo er auch xöog 
gestorben ist; die kaiserliche Galerie in Wien enthält außer jenem Bildnis noch eine ziemlich 
bekannte ruhendeVenus, eineVenus undAdonis, eine Diana undActäon und ein paar religiöse 
Bilder, auch gilt der ehemals als Original des Parmeggianino angesehene bogenspannende 
Kupido nun als Kopie von Heinz. Aber der Burckhardtschen Bestimmung des Londoner 
Kardinalporträts ist die spätere Forschung nicht beigetreten; sie teilte dasselbe dem Scipione 
di Gaetano (Pulzone, 1550-1600) zu, wie uns der Herausgeber der vorliegenden Briefe, 
l-LTrog, in einer Note des Registers mitteilt: dieser hat neben religiösen Bildern Porträte 
damals berühmtester Leute gemalt, so daß man ihn im XVI. Jahrhundert den römischen Van 
Dyck nannte. Über die Persönlichkeit des Dargestellten, der sich noch auf zwei andern 
Porträten Gaetanos, im Palazzo Corsini und in Chantilly, naßhweisen läßt, sagt der Katalog 
der Nationalgalerie nichts. In Gruyers Katalog von Chantilly heißt es (auch nach Trog) von 
diesem „viei1lard", sein Auge scheint die Dinge nicht nach der schönen Seite zu sehen: „et 
la tristesse de la bouche confmne le desenchantement du regard", was ja mit der Burck- 
hardtsehen Charakteristik so ziemlich stimmt. Sie schließt mit der Bemerkung: „Es ist 
doch kein Katzendreck, wenn wo ein Bild neben allen Velasquez die Augen der Menschen 
magisch auf sich zieht. Ich muß über diesem Kardinal noch weiter nachdenken und wenn 
ich noch einige Male meine Ideen ändern sollte, so mögen Sie sich nicht wundern." 
i" Allerdings behandelt diese nur italienische Ponräte, aber es werden doch auch außeritalienische 
Schöpfungen der Porträtkunst zum Vergleich herangezogen. Übrigens hätte ja Burckhardt auch später dem 
Bildnis eine italienische Provenieuz zuschreiben können, wenn er es auch 187g für ein deutsches Erzeugnis 
hielt.
	        
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