Antonio Barbadigo, der von 1486 bis 1501 regierte. Da es sich um offizielle
Dokumente der Staatskanzlei handelt, muß man die Buchbinderei, in der
diese Einbände hergestellt wurden, als eine amtlich bevorzugte ansehen.
Einbände dieser Art wie die abgebildeten sind nur in der Regierungszeit
dieses Dogen an offiziellen Dokumenten nachweisbar. Ist es da zu kühn, zu
vermuten, daß der Doge selbst besonderen Geschmack gerade an diesen
Einbänden mit orientalischem Dekor fand? Jedenfalls gab es aber eine Buch-
binderschule in Venedig, welche kleine Muschelstempel verwendete, mögen
sie auch in der Größe und Zeichnung (was übrigens nicht leicht festzustellen
ist) von jenen Muschelstempeln abweichen, mit denen die Ugelheimer-
Bände und die andern zu dieser Gruppe gehörigen Stücke verziert sind.
Auch bei diesen jüngeren Einbänden besteht durchaus die Einrahmung aus
Handvergoldung mit nebeneinandergesetzten Stempeln, der Spiegel ist jedoch
zeichnerisch lebendiger und freier gehalten und zeigt zart gezeichnetes
Blatt- und Blumenwerk. Das Mittelstück des Einbandes von 1498 (Fig. 16)
ist geradezu meisterhaft entworfen oder von einer ebenso entworfenen
Vorlage kopiert.
Mit Sicherheit die nationale Zugehörigkeit der Buchbinder oder viel-
mehr Dekorateure der im vorstehenden behandelten Bände bezeichnen zu
wollen, ist eine schwere Sache. Für den Einband in der Bibliothek Landau
möchte man lieber einen türkischen statt eines persischen Arbeiters
annehmen. Die ganze Ausführung ist minder sorgfältig, die Mandorla ganz
unverhältnismäßig groß, ein Mißverhältnis, das dem türkischen Geschmack
entsprochen zu haben scheint und in der türkischen Teppichdekoration ein
Analogon fände. Für die übrigen Deckelverzierungen wird man jedoch
persische Arbeiter oder wenigstens persische Muster annehmen dürfen.
Doch sicher ist dies keineswegs. In Venedig gingen im Mittelalter, ebenso
wie in Konstantinopel, Vertreter aller Nationen ihren Geschäften nach.
Neben den schon im XIII. Jahrhundert urkundlich als seßhaft nachweis-
baren Armeniern werden Perser und Türken tätig gewesen sein, für deren
Tätigkeit und Seßhaftigkeit in Venedig, insbesondere zur Zeit der politischen
Spannung am Ende des XV. Jahrhunderts freilich urkundliche Zeugnisse
bisher überhaupt nicht vorzuliegen scheinen.
Jedenfalls sei noch auf eines hingewiesen. Die ältere Gruppe dieser mit
Muschelstempeln verzierten Bände, ebenso wie die hier in der ersten Gruppe
behandelten, bedient sich noch der I-Iolzdeckel, alle Einbände aus der
Regierungszeit des Dogen Barbadigo haben jedoch Pappdeckel als Unterlage
für den Lederbezug. Das ist die Zeit, in der auch schon Aldus Manutius
der Ältere die Pappe für seine neuartigen Oktavbändchen verwendet hat.
Weiterer Forschung mag es vorbehalten bleiben, Zusammenhänge aufzu-
decken, Aufklärungen über die hier etwas eingehender behandelten Bände
zu bringen und wenn möglich urkundliches Material zu finden. Ein glück-
licher Zufall kann uns sehr wohl auch in dieser Sache günstig sein.