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DIE AMERIKANISCHEN KUNSTAUSSTEL-
LUNGEN IN DER SAISON 1911 BIS 1912 50 VON
KLARA RUGE-NEW YORK S0
IE letzte Saison hat uns wieder viele Ausstellungen
gebracht, darunter manche, die hervorragende
Leistungen boten. Wie gewöhnlich, war die Aus-
stellung des Newyorker Water Color Club die
früheste der Kunstausstellungen. Dieser Klub, der
verschiedene Krisen durchgemacht hat und vor
allem öfters an einem dilettantischen Impressio-
nismus krankte, hat diesmal eine Ausstellung ver-
anstaltet, in der impressionistische Farbenskizzen
vorherrschten, die sich durch eine virtuose
Technik hervortaten.
Der Beal-Preis, der einzige, den die Gesellschaft verleiht, wurde Colin
Campbell Cooper für sein Bild „Salem Residence" zuteil. Das Bild hat
einen gewissen poetischen Gehalt und zeigt eine Heimstätte aus der Kolonial-
zeit. Der Künstler, der den eigenartigen Reiz der amerikanischen Wolken-
kratzer herausgefunden hat, hat auch die altmodische Schönheit eines Baues
aus Neuenglands Philosophenstädtchen zu erfassen verstanden. In Salem
hat Emerson gelebt sowie auch Whittier und andere Neuengland-Poeten.
Von Frau Lampert Cooper sah man Mietskasernen, schön und fein in der
Farbe, von Alathea Platt hübsche britannische Skizzen.
Eindrucksvoll wirkte das Bild „Prairie" von Eugene I-Iiggins, einem der
wenigen amerikanischen Proletarierrnaler. Seine düsteren Gestalten, denen
die Sonne des Glückes wohl nie gelächelt hat oder die aus der Höhe hinab
in die Tiefe des Elends gesunken sind, lassen nicht gleichgültig. Der Maler
wirkt namentlich durch gut wiedergegebene Lufttöne.
Unser bedeutendster Impressionist Childe Hassam war durch sechs Bilder
vertreten, von denen, wie immer, die Landschaftsmotive die iiguralen
bedeutend übertrafen.
Flott gemalte Pastelle, Figuren, die durch Frische der Farbe und der
Auflassung aufüelen, hatte Helen Winslow Durkee gesandt.
Überraschend war es, Elisabeth R. Hardenburgh als Blumenmalerin
zu begegnen. Ihre treHlichen keramischen Arbeiten sind hier schon öfters
besprochen und auch reproduziert worden. Jetzt zeigte sie einen fein getönten
Strauß unserer Herbstflora.
Auch die Winter- und Frühjahrsausstellung der Academy of Design
enthielt manches gute Werk.
In der Winterausstellung wurde der Carnegie-Preis, der dem besten
Ölbild zuteil werden soll, Edwin H. Blashfield für sein großes Gemälde
„Leben" verliehen. Es ist ein allegorisches Bild, das zeigen will, wie Leben
und Vergehen eng beieinander wohnen. Ein Kind blüht der Zukunft ent-
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