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So schien denn das Exlibris
gänzlich in Vergessenheit zu ge-
raten, da wandte das neuerwachte
deutschnationale Gefühl um die
Wende der sechziger und siebziger
Jahre der einstigen künstlerischen
Blütezeit, der deutschen Renais-
sance, sein besonderes Interesse zu.
Durch die Beschäftigung mit dem
Formenschatz der Renaissance er-
wachte auch das Interesse an der
guten alten Heraldikkunst und ins-
besonders die Dürer-Forscher von
I-Iefner und von Retberg waren in
zahlreichen Schriften bemüht, die
mustergültigen, leider gänzlich ver-
gessenen, heraldischen Regeln jener
Renaissancemeister wieder zur Gel-
tung zu bringen. Durch das Studium
der Wappen kam man naturgemäß
wieder auf das Exlibris: der Anstoß
zur neueren Einführung der Ex-
librissitte war gegeben. Gegen Ende
der siebziger Jahre war es zum
ersten Male wieder, daß ein Künstler Exlibris entwarf - Professor Emil
Doepler der ]üngere, ein trefflicher I-Ieraldiker, der sich auch stark mit der
deutschen Kostümkunde beschäftigte. Es entstanden die ersten Exlibris seiner
Hand für Paul Lindau und Friedrich Warnecke. Letzterer war es, welcher
sich nun eifrig mit dem Studium der Geschichte des Exlibris beschäftigte und
dieses zu sammeln begann. In zahlreichen Aufsätzen machte er weitere
Kreise wieder mit dem Bucheignerzeichen bekannt und ward so der
eigentliche Neuerwecker. Noch immer waren es ausschließlich Künstler auf
dem Gebiete der Heraldik, die sich mit dem Entwerfen von Exlibris befaßten,
so besonders Professor Ad. M. Hildebrandt und der Doepler-Schüler Ernst
Krahl in Wien. Trefflichen Beispielen heraldischer Kunst begegnet man zum
Schlusse der historisch-retrospektiven Abteilung der Ausstellung, welche
auch die obenerwähnten Blätter von Doepler und von Otto I-Iupp enthält.
Doepler ist wohl der einzige Vertreter dieses Faches, der den Geist
unserer Zeit erfaßte und noch als hochbetagter Mann und trefflicher Lehrer
eine große Zahl von Schülern heranzog, die künstlerische Exlibris produ-
zierten, wie zum Beispiel das Blatt Reichenheim der Ausstellung.
Freudig griff die moderne Kunst das ihr neuerschlossene Feld einer
Täügkeit auf, welches mit einem Male ein ungeahntes Interesse fand, und
zwar sowohl in Deutschland wie im Auslande. Fast in jedem Staate wurde
Abb. g. Otto Tauschek