Eine große Zahl verschiedenartiger Begabungen hat sich zusammengefunden, denen
man eine kräftige Förderung und gesunde Entwicklungsmöglichkeiten wünscht - von
denen hier aber nicht jede einzelne betont werden kann. Man freut sich, daß in Österreich
so viel gesundes und ernstes Streben in einer jungen Generation lebt, und denkt mit
Bedauern daran, wie wenig Förderungsxnöglichkeiten ihrer harren. Wie die herrschenden
Verhältnisse ihnen nur ermüdenden Kampf und wenig anspornenden Lohn in Aussicht
stellen.
Immerhin gibt die Hoffnungsfreude und die Zahl der Jüngeren allein schon den
Beweis, daß die von den Gründern der Sezession einst gesäten Keime auf fruchtbaren
Boden gefallen sind, daß ihre Kämpfe nicht vergeblich waren.
ALERIE MIETHKE, SAMMLUNG REICHEL. Die Privßisämmlung des
Malers und Kunstfreundes Dr. O. Reichel zeigt in anziehender Weise die Stellung-
nahme eines künstlerisch Schaffenden, dem ein günstiges Schicksal die Möglichkeit gegeben
hat, auch seiner Freude an der künstlerischen Betätigung anderer durch Erwerbung
zahlreicher Kunstwerke Ausdruck zu geben.
Diese Sammlung und das Vorwort, das Reichel seinem Katalog gegeben, betonen
den persönlichen Geist eines Strebenden und Suchenden - sie bilden keine zufällige
Zusammenraffung und keine Aufstapelung materieller Werte.
Dem eigenartigen Romako ist der Künstler lange nachgegangen, so daß er eine
stattliche Anzahl allerdings recht ungleichwertiger Arbeiten dieses vielseitigen und viel-
geschmähten intensiven Arbeiters besitzt. Wenn man von jenen Arbeiten absieht, mit
denen Romako unter dem Einüuß von andern, wie Makart und Pettenkofen schuf, und
von einigen Flüchtigkeiten, die besser ganz übersehen würden, so bleibt doch eine Fülle
höchst wertvoller Dinge, denen intensiver Ausdruck eigentümlich ist. Er ist offenbar ein
Schaifender, dessen feurige Seele nach Aussprache der inneren Erlebnisse drängt, der in
beständiger Opposition zu dem Zeitgeschmack steht, aber dabei die Entwicklung der
künstlerischen Ausdrucksmittel bereichert, Kommendes vorausahnt und stets in Gefahr ist,
seine großen Vorzüge durch kleine Unzulänglichkeiten zu beeinträchtigen. Wir verstehen
ihn heute weit besser als seine Zeitgenossen, die er erschreckte wie jeder Einsame. Er
überrascht durch die Kühnheit seiner farbigen, von mystischem Reiz erfüllten Visionen
ebenso wie durch die temperamentvolle Art, mit der er vor der Natur seine eindringliche
persönliche Auffassung betätigt.
Es liegt etwas Gärendes, Vibrierendes in allen seinen Arbeiten. Die jüngste Wiener
Künstlergeneration scheint ihm geistig nahe zu stehen. Von Makart bis Klimt führte ein
langer Weg, auf dem man dem Naturalismus, der durchsonnten, luftumspielten malerischen
Erscheinung nachging, heute spielt die Vision, das Zurückziehen auf das innerlich Ge-
schaute wieder eine weit größere Rolle. Reichel reiht Arbeiten von Kokoschka, Schiele,
Feistauer, Gütersloh in seine Sammlung ein - ferner Arbeiten von Max Oppenheimer.
In dieser Wahl wie in dem großen Interesse, das er an Romako nahm, liegt ein großer
Respekt vor dem Persönlichkeitsreiz künstlerischer Auffassung, vor den Visionen solcher
Künstler, die eigene Wege gehen. Auch Eugen Kahler, dem eine Gedächtnisausstellung
von der Galerie gewidmet wurde, suchte vor allem sein Innenleben zum Ausdruck zu
bringen. Er starb, bevor ihm dies voll gelungen ist. Doch zeugen manche Bilder, insbesondere
zwei großzügige unmittelbar vor der Natur breit niedergeschriebene Landschaften dafür,
welche starke Begabung in ihrer Entfaltung gehemmt wurde.
„Bedingung eines Kunstwerkes ist" nach Reichel, „daß es eine Schöpfung, eine neue
Welt sei, in der wir träumend leben können, das heißt sie als visionär und dabei doch
als wirklich empfinden".
Dazu ist aber unerläßlich, daß diese künstlerische Scheinwelt auch lebensfähig ist -
das heißt mit den Gesetzen der Natur in Einklang steht, ein Ganzes bilden kann und daß
die Ausdrucksmittel ausreichen, sie uns als lebendig erscheinen zu lassen. Unser Verhältnis