Herrscherhauses. Auf diese Weise dürfte der Marcanova-Kodex mit
andern Stücken in die Biblioteca Estense zu Modena gelangt sein." Ergibt
sich also für die Zeit der Herstellung des Einbandes nur ein Spielraum von
längstens zwei Monaten des Jahres 1465, so scheint auch über den Ort der
Arbeit ein Zweifel nicht möglich zu sein; nach allem, was wir wissen, kann
es sich nur um Venedig handeln.
Das zweite Stück, das hier in Betracht kommt, befindet sich heute in
der Bibliothek Landau zu Florenz (Fig. 3). Es ist ein Oktavbändchen in
Holzdecke] gebunden, die mit orientalisch durchbrochenem, rotbraunem
Maroquin überzogen sind. Bei der Herstellung wurde zuerst der ganze Grund
mit einem tiefen, satten Blau bemalt. Die aus geschärftem, rotbraunem
Maroquin bestehende durchbrochene Lederdecke wurde in der äußeren
Umrahmung, in den inneren Ecken und in der das kameenartige Mittelstück
umgebenden Mandorla mit grüner Seide unterlegt, deren Textur in der
Wiedergabe deutlich sichtbar ist. Aus dieser Seidenunterlage waren wieder
bestimmte Stellen ausgeschnitten, so daß dort der blau untermalte Grund
durchscheint. Die ganze Goldverzierung ist in die blind vorgerissene Zeichnung
mit Pinsel eingemalt. Den inneren Teil der Mandorla bildet eine in Leder
eingeprägte Kamee. Der Kopf ist in der Lederfarbe belassen, der Grund, von
dem er sich abhebt, wurde mit der Punze rauh gemacht und vergoldet. An
mehreren Stellen, über dem Kopfe, beim Munde und an der unteren Spitze
sind sehr kleine, rubinartig glänzende Halbkugeln oder einzelne Perlen
aufgesetzt. In den blattartigen Fortsetzungen des Mittelstücks sieht man an den
teils lichteren, teils dunkleren Punkten noch die Spuren, wo sich dergleichen
Perlen befanden. Die Deckel sind nach innen, gegen den Rücken zu jedoch
auf der Außenseite abgeschrägt. Die Innenkanten der Deckel sind mit
einer Goldlinie bemalt. Es sind drei Doppelbünde von rot gefärbtem Leder
vorhanden, an der schmalen Rückenkante durch ein Loch in den Deckel
eingeführt und auf der Innenseite mit Holzstift verpßöckt. Der Fitzbund ist
etwa I7 Millimeter vom Blattrand entfernt. Die Kapitale aus Leder sind
mit grüner Seide und Metallfaden umstochen. Von den zwei eigens gehef-
teten Vorsatz(Nachsatz)blättern wurde eines auf die Innenseite der Deckel
geklebt, das andere blieb frei. Das infolge seiner Dünne stark zerstörte Leder
auf dem Rücken zeigt rhombische Felderung mit Goldlinien. Verschluß fehlt
durchaus; man darf vielleicht annehmen, daß für den Band eine Hülle
bestimmt war. Der Schnitt war einst leicht vergoldet, ist jedoch glatt und
zeigt keinerlei Ziselierung. Auf dem unteren Schnitt findet sich mit schwarzer
Tinte die Aufschrift: Iacobi Tirabusci opera, die ohne Kenntnis des vom
Einband umschlossenen Inhalts allerdings schwer zu lesen sein dürfte)" Die
Handschrift enthält 52 Blätter, wovon 50 ganz beschrieben sind; Blatt 1
trägt auf der Kehrseite mit roter Tinte den Besitzvermerk: Nicolai Lippe-
' Dem Direktor dieser Bibliothek und hervorragenden Bibliographen Prof. Gius. Fumagalli bin ich für
seine Aufklärung dieses Punktes sehr verbunden.
"" Auf der Innenseite des Nachsatzblattes klebt oben gegen den Falz zu ein nach innen eingeknickter
Papierstreifen mit der römischen Zahl XXXII.